BERLIN. Bundespräsident Christian Wulff hat seinen Rücktritt erklärt. Er zog damit die Konsequenz auf die seit Wochen andauernden Vorwürfe, Wulff habe sich in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident der Vorteilsannahme schuldig gemacht.
Er habe die Wahl als Bundespräsident gerne angenommen und das Amt sei ihm eine Herzensangelegenheit gewesen, aber er verfüge nicht mehr über den notwendigen Rückhalt, um sich den internationalen und nationalen Herausforderungen uneingeschränkt stellen zu können, sagte Wulff am Freitag im Schloß Bellevue. Dazu gehöre vor allem das Thema Integration. Alle Menschen in diesem Land sollten sich dazugehörend fühlen. Nur so könne die Integration auch nach innen gelingen. Seinen Part bei der geplanten Trauerfeier für die mutmaßlich von der Zwickauer Terrorzelle ermordeten Opfer werde in der nächsten Woche Bundeskanzlerin Angela Merkel übernehmen, kündigte Wulff an.
Merkel würdigt Wulffs Amtsführung
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Donnerstag die Aufhebung der Immunität von Bundespräsident Christian Wulff beantragt. „Nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und der Auswertung weiterer Medienberichte“ sehe man nunmehr „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ und einen „Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme“, hieß es in einer Mitteilung. Wulff sagte, er sei überzeugt, daß die rechtliche Überprüfung zu seiner vollständigen Entlastung führen würde.
Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob Wulff sich als niedersächsischer Ministerpräsident der Vorteilsnahme im Amt schuldig gemacht hat. Konkret geht es darum, ob er von dem Filmunternehmer David Groenewold Gefälligkeiten angenommen hat und diesem dafür zu einer Bürgschaft des Landes für dessen Firma verhalf. Gleichzeitig teilte die Staatsanwaltschaft mit, daß sie deswegen auch ein Ermittlungsverfahren gegen Groenewold wegen möglicher „Vorteilsgewährung“ eingeleitet habe. Die Behörde habe aber nicht nur die Aufgabe, nicht nur die zur „Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“. Selbstverständlich gelte auch bei einem Anfangsverdacht die Unschuldsvermutung.
Bundeskanzelrin Merkel lobte Wulffs Amtsführung. Sie habe großen Respekt vor seiner Entscheidung, die sie mit mit Bedaueren zur Kenntnis genommen habe. Wulff habe sich für ein modernes und offenes Deutschland eingesetzt und gezeigt, daß die Stärke dieses Landes in seiner Vielfalt liege, sagte Merkel.
FDP-Politiker Lotter: „Bedauern über den Rücktritt verspüre ich nicht “
Anders äußerte sich dagegen der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter: Der Respekt falle ihm schwer, da der Rücktritt zu spät und ohne spürbar ehrliche Einsicht erfolgt sei, kritisierte Lotter. „Das Bekenntnis zur Integration erscheint vor diesem Hintergrund als politische Folklore, mit der Herr Wulff versucht, eine manch unwürdige Facette kaschierende Fassade aufzubauen.
Für mich handelt es sich um den Versuch, in einer von ihm verantworteten Situation der Unwürde ein politisches Vermächtnis zu konstruieren, das die Ursachen für sein Scheitern im Amt kaschieren soll.“ Damit werde dem dem dringenden Anliegen der Integration ein Bärendienst erwiesen, monierte der FDP-Politiker. Bedauern über den Rücktritt verspüre er daher nicht – aber doch Erleichterung. (krk)