HANNOVER. Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Hannover, Hannelore Kaiser, hat Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) wegen dessen Urteilsschelte harsch kritisiert.
Der Politiker hatte das von ihrem Gericht bestätigte Verbot einer DGB-Demonstration am vergangenen Samstag als „juristische Parteinahme zugunsten einer Neonazi-Versammlung“ gewertet, die „angesichts der deutschen Geschichte erschütternd“ sei.
In dieser Aussage Thierses liege „ein ungeheuerlicher Vorwurf, den ich zurückweisen muß“, schrieb Kaiser in einem Offenen Brief an den Abgeordneten. Er habe damit ein Verständnis von Rechtsstaatlichkeit offenbart, das „irritiert“.
Prinzipien unseres Rechtsstaates
Das Gericht habe in keiner Weise Partei ergriffen, betonte die Präsidentin. Die Justiz dürfe nicht danach entscheiden, was allgemein als politisch genehm erscheint, sondern müsse den Grundrechten Geltung verschaffen.
Entschieden die Richter danach, ob ihnen eine Demonstration politisch passe oder nicht, wäre dies „angesichts der deutschen Geschichte erschütternd“ und mit den Prinzipien unseres Rechtsstaates nicht vereinbar, schrieb die Juristin in ihrem Brief. Sie wies den Bundestagsvizepräsidenten in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Grundrechte „bekanntlich unteilbar“ sind.
Ausdrücklich betonte Kaiser jedoch, daß die Öffentlichkeit das Recht habe, Gerichtsentscheidungen zu kritisieren. Allerdings habe sie Thierses Vorwurf nicht unkommentiert lassen können. (vo)