Die Vorschußlorbeeren waren gewaltig gewesen: Stefan Mappus werde „den konservativen Teil in der CDU wieder stärker betonen“, hatte der alte Unionshaudegen Gerhard Mayer-Vorfelder gehofft; für die Welt war er der „einzige Repräsentant des ausdrücklich konservativen Flügels der Union“ in führender Machtposition, und die Landes-SPD hatte gewohnt alarmistisch gar einen „konservativen Rechtsruck“ gewittert.
Bisher ist wenig davon zu spüren: Knapp ein halbes Jahr nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg ist es still geworden um Stefan Mappus.
Richtig losgeholzt hat er seither nur im Streit mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen um Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke. In Baden-Württemberg sah man Röttgens schwarz-grüne Annäherungsversuche auf diesem Gebiet schon deshalb kritisch, weil die Stromversorgung des industrialisierten Bundeslandes noch immer zu über 50 Prozent aus Kernkraft bestritten wird.
Mappus war unter den Kritikern aus den Reihen der Unions-Länderchefs am weitesten vorgeprescht und hatte Röttgen unverblümt zum Rücktritt aufgefordert, wofür er einen Rüffel von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kassierte, den er freilich ungerührt wegsteckte.
Wendige Verbeugungen vor dem Zeitgeist
Mit Schäuble war Mappus schon kurz nach Amtsantritt wegen einer CD mit illegal beschafften Steuersünderdaten aneinandergeraten, die er auf Druck des Koalitionspartners FDP schließlich doch nicht kaufen wollte. Gleichwohl pflegt Mappus gute Beziehungen zum Schäuble-Clan, zu dem auch sein von Amtsvorgänger Günther Oettinger ererbter Generalsekretär Thomas Strobl als Schwiegersohn des Bundesfinanzministers gehört.
Dessen jüngerer Bruder, der langjährige Landesminister Thomas Schäuble, hat Mappus früh gefördert. Zudem ist der neue starke Mann der Südwest-CDU ausgezeichnet mit dem einflußreichen Fraktionschef Volker Kauder, Patenonkel eines seiner Söhne, und mit der Merkel-Vertrauten Annette Schavan vernetzt, die er schon in der Auseinandersetzung um die Nachfolge des früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel gegen den schließlich von ihm selbst abgelösten Oettinger unterstützt hatte.
Auch vor diesem Hintergrund sind die wendigen Verbeugungen vor dem Zeitgeist des Ministerpräsidenten Mappus weniger verblüffend, als es das bislang gepflegte konservative Selbstbild vermuten ließ. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) kündigte Mappus dieser Tage einen Gesetzesvorstoß auf Bundesebene zur Änderung des Zuwanderungsgesetzes an, um die Einwanderung von „Fachkräften“ zu erleichtern. >>
Enttäuscht von ihrem des öfteren mit Franz Josef Strauß verglichenen Parteivorsitzenden waren wohl auch die Göppinger Jung-Unionisten, die mit ihrer „Eislinger Erklärung“ eine Debatte um die konservative Erneuerung ihrer Partei anstoßen wollten. Zwar vermied Mappus die von der Opposition verlangte förmliche Distanzierung von dem Papier, und dem Filderstädter CDU-Stadtrat Ralf Berti, der von seinem Chef dasselbe forderte wie Rot-Grün, beschied Mappus, er „hüpfe nicht über jedes Stöckchen“.
Aber die Parteifreunde gegen maßlose öffentliche Angriffe in Schutz zu nehmen, wagte er auch nicht. Statt dessen bat er die Kreisvorsitzende und die Landes-JU, sich „des Themas anzunehmen“, mit dem Ergebnis, daß die Göppinger JU ihr Papier zurückziehen mußte. Drei Vorstandsmitglieder des JU-Ortsvereins Unteres Filstal, die auf eine Neuauflage der „Eislinger Erklärung“ drängten, haben inzwischen frustriert ihre Ämter niedergelegt.
Mappus’ Image als konservativer Polterer, das er als Landtagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender gepflegt hatte, beruhte vor allem auf symbolpolitischen Provokationen; mit markigen Sprüchen gegen die Homosexuellenparade zum „Christopher Street Day“ oder gegen Schwarz-Grün machte er auf sich aufmerksam.
Platitüden über Zuwanderung
Ein ähnlich symbolpolitischer Überraschungscoup, der dieses polarisierende Eigen-PR-Bild zugunsten eines ausgleichend-landesväterlichen Habitus wieder abmildern sollte, war bei der Vorstellung seines Kabinetts als frischgewählter Ministerpräsident die Berufung der linkskatholischen Feministin und Gender-Mainstreaming-Ideologin Regina Ammicht Quinn zur „Staatsrätin für interreligiösen und interkulturellen Dialog“.
Mehr als ein paar Platitüden über „Zuwanderung als Bereicherung“ und die Notwendigkeit, mehr „Migranten“ in den Staatsdienst zu übernehmen, sind dabei bislang nicht herausgekommen. Die landespolitische Presse spöttelt über die „enttäuschende“ Unverbindlichkeit der Staatsrätin. Mappus hat mit dieser Personalie Stammwähler nachhaltig irritiert, ohne dafür weiter links neue Sympathisanten gewonnen zu haben.
Die Republikaner, die ein „Projekt 7 Prozent“ zur Rückkehr in den Landtag verfolgen, rechnen sich angesichts dieser Unsicherheiten bereits Chancen aus, der CDU konservative Stimmen abzujagen. Mappus muß sich am 27. März 2011 seinen mitten in der Legislaturperiode übernommenen Ministerpräsidentenstuhl von den Wählern bestätigen lassen.
Den Anspruch, in der Bundes-CDU ein gewichtiges Wort mitzureden, könnte er erst nach einem überzeugenden Wahlsieg ernsthaft anmelden. Ob das den taktischen Konservativen Stefan Mappus plötzlich zum standfesten Flügelmann werden ließe, steht freilich auf einem anderen Blatt.
JF 31-32/10