In der vergangenen Woche einigten sich Bund und Länder nach monatelangem Streit auf die Finanzierung der Krippenplätze. So will die Bundesregierung, allen voran Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken. Schließlich brauche Deutschland ja Nachwuchs.
Doch viele Frauen setzen andere Prioritäten: Nach jahrelanger Ausbildung und zunehmender Berufstätigkeit wollen die wenigsten von ihnen „nur“ zu Hause bleiben. Wenn das Muttersein mit dem Beruf nicht vereinbar ist, verzichten viele Frauen heute eher auf Nachwuchs.
So wurde ebenfalls in der vergangenen Woche in Berlin auf dem zweiten „Best Age“-Demographiekongreß, der unter anderem vom Bundesfamilienministerium organisiert wurde, nach Lösungen gesucht. „Wenn Frauen das Recht – das Menschenrecht – haben, sich auszubilden, wollen sie logischerweise irgendwann auch arbeiten“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, Hermann Kues (CDU).
Demnach müßten neue Modelle entwickelt werden, die Frauen das Arbeiten auch mit Kindern ermöglichten. Das neue Elterngeld und die geplante Aufstockung der Krippenplätze seien die ersten Schritte in diese Richtung.
Auch insgesamt war der Tenor des Kongresses positiv: Deutschland sei dem demographischen Wandel nicht machtlos ausgeliefert, sondern könne ihn auch selbst gestalten. Die Krise müsse als Herausforderung begriffen werden.
Begonnen werden könne die gesellschaftliche Veränderung im kleinen. Am besten sollten Unternehmen dazu animiert werden, familienfreundlichere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Eine Initiative, die bei diesem Gesinnungswandel helfen kann, existiert seit 1998: die Gesellschaft „Beruf und Familie“ der Hertie-Stiftung. Bundesfamilien- und Bundeswirtschaftsministerium haben die Schirmherrschaft über die Initiative übernommen. Zusätzlich wird das Projekt durch den Europäischen Sozialfonds gefördert.
„Aufgrund neuer Rollenverständnisse von Mann und Frau sowie neuartiger Anforderungen der Wirtschaft an die Flexibilität der Mitarbeiter sollen tragfähige Modelle für eine familienbewußte und zugleich unternehmensgerechte Personalpolitik gefördert werden“, schreibt die Gesellschaft in ihrer Selbstdarstellung. Allerdings bietet die Beratungsinitiative Unternehmen keine fertigen Lösungen an, sondern begleitet und berät sie über verschiedene Möglichkeiten.
<---newpage---> Familienfreundlichkeit wirkt sich für Unternehmen positiv aus
Dazu zählen unter anderem flexible Arbeitszeiten, Workshops, Startgelder für junge Eltern, gelegentliches Arbeiten von zu Hause oder auch Hilfe bei der Kinderbetreuung. Zudem zeichnet die Initiative der drittgrößten privaten Stiftung in Deutschland seit 1999 familienfreundliche Betriebe, Institutionen und Behörden aus. Dieses Gütesiegel ist mittlerweile immer begehrter. Seit Jahren verzeichnet „Beruf und Familie“ eine wachsende Nachfrage vor allem seitens der Wirtschaft.
Denn was auf den ersten Blick weniger für den Beruf als für die Familie attraktiv aussehen mag, bietet in Wirklichkeit Vorteile für beide Beteiligten. Familienfreundliche Sozialleistungen sind nämlich keine selbstlosen Geschenke der Arbeitgeber: Für Unternehmen geht es dabei um Geld und Wettbewerbsvorteile.
Aber nicht nur das: Auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigt bei wachsender Familienfreundlichkeit des Betriebes, was sich deutlich auf ihre Motivation auswirkt. Diese Mitarbeiter haben nachweislich weniger Fehlstunden und kehren nach der Elternzeit schneller in das Unternehmen zurück.
Laut einer Studie des Forschungsinstituts „Familienbewußte Personalpolitik“ an der Universität Münster macht sich ein solcher neuer Ansatz deutlich positiv bemerkbar: Den Zahlen zufolge sanken bei sich zur Familienfreundlichkeit bekennenden Firmen die Fehlzeiten der Mitarbeiter innerhalb eines Jahres um 34 Prozent, gleichzeitig stieg das Ansehen der Firma im Schnitt um 13 Prozent. Dadurch ließen sich offene Stellen schneller besetzen, was für diese Unternehmen einen weiteren positiven Effekt brachte.
Auf solche Vorteile wollen und können Hunderte große Firmen wie etwa Airbus, Commerzbank, Deutsche Bank oder Eon nicht mehr verzichten. Aber auch viele Hochschulen und Behörden, sowohl auf Landes- als auch Bundesebene, haben sich bereits von „Beruf und Familie“ beraten und zertifizieren lassen.
In einigen Bundesländern, unter anderem in Brandenburg, Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen, besteht für Betriebe sogar die Möglichkeit zur Förderung der „Beruf und Familie“-Beratung durch das Land.
Daß der Beruf nun besser an die familiären Bedürfnisse angepaßt werden soll, ist sicherlich nicht die Lösung aller Probleme. Schließlich sollen auch hier beide Eltern arbeiten und Kinder meistens frühzeitig in Krippen und Kindergärten abgegeben werden. Dennoch ist ein deutlicher Gesinnungswandel in der Wirtschaft zu spüren. Ob das letztendlich einen positiven Effekt auf die Geburtenrate haben wird, bleibt freilich abzuwarten.