Wer dieser Tage nach Kuba reisen will oder mit jemandem, der dort gerade seinen Urlaub verbracht hat und nach Deutschland zurückgekehrt ist, Kontakt hat, sollte vorsichtig sein, denn auf der Karibik-Insel sind zwei gefährliche Infektionskrankheiten ausgebrochen. Ein Sprecher des Robert-Koch-Instituts erklärte: „Wir haben einen ungewöhnlich starken Anstieg von importierten Fällen von Chikungunya und des Dengue-Fiebers registriert. Bis Anfang Dezember wurden uns 171 Fälle gemeldet, davon 33 mit einem direkten Bezug zu Kuba.“
Anlaß für den Ausbruch der beiden Seuchen – nach Angaben der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (OPS) sind gegenwärtig 42.000 Menschen auf der Karibikinsel an Chikungunya- und 26.000 am Dengue-Fieber erkrankt, mindestens 44 Todesopfer sind bislang zu beklagen – waren die Folgen des Hurrikans Melissa, der Ende Oktober die Karibik verwüstet hat. Dadurch wurden die Lebensbedingungen für die Mücken, die diese Krankheiten übertragen, stark begünstigt. Das Robert-Koch-Institut mahnt, daß Reise-Rückkehrer mit Symptomen wie Fieber, ausgeprägten Gelenkschmerzen oder Hautausschlägen einen Arzt aufsuchen sollten, um das Krankheitsbild abklären zu lassen.
Daß die Epidemien auf Kuba ein derartiges Ausmaß annehmen konnten, ist kein Zufall. Die Lebensbedingungen der Bevölkerung sind ausgesprochen katastrophal. Der in Madrid lebende kubanische Schriftsteller Jorge Ferrer schreibt in einem Beitrag für die spanische Tageszeitung El Mundo: „Die Lage ist so gravierend, daß sie selbst für ein Land, das seit Jahrzehnten in einer Art kollektivem Elend versunken ist, nur noch entmutigt. Der Bevölkerungsrückgang der Insel, bedingt durch Abwanderung Hunderttausender in nur wenigen Jahren, hat nicht nur zu verlassenen Städten, sondern auch zu einer dramatischen Alterung der Menschen geführt. Die Jungen gehen, die Alten bleiben, gefangen in ihrer Gebrechlichkeit oder in der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die zugleich eine träge Abhängigkeit vom Staat bedeutet.“
Kubas Regierung könne nur Repression
Weiter schreibt Jorge Ferrer: „Die Unfähigkeit der Regierung, grundlegende, aber lebensnotwendige Aufgaben wie die Müllabfuhr in den Großstädten zu bewältigen, hat Havanna in eine Art gepunktete Karte von Müllhalden verwandelt. Dort kämpfen Ratten und die Armen um Essensreste. In dem Wasser, das die Müllhalden überflutet, und den stinkenden Pfützen, die die von Schlaglöchern übersäten Straßen füllen, brüten Mücken und versetzen das Land in höchste Alarmbereitschaft.“ Und: „Trist, verlassen, krank und zutiefst unglücklich durchlebt Kuba die schlimmsten Stunden seiner schlimmsten Zeit. Dutzende von leerstehenden Hotels stehen wie Leuchtfeuer in einer Landschaft aus Dunkelheit und Verzweiflung. Die Kubaner betrachten sie nicht voller Bewunderung, denn ihnen bleibt nur die Kraft zur Flucht oder zum Haß. Viele fragen sich, was dem kubanischen Regime noch fehlt, um als gescheiterter Staat erklärt zu werden. Vielleicht nur ein winziger Fehltritt …“
Auch das medizinische Fachpersonal schlägt Alarm. In der Gemeinde La Maya äußerte sich der Arzt Roberto Serrano mit offenen und mutigen Worten: „Der einzige Bereich, in dem der Staat effizient ist, ist die Repression.“
Daß die beiden Epidemien mit derartiger Wucht zuschlagen konnten, hat auch damit zu tun, daß das System nicht in der Lage ist, seine Ärzte dauerhaft im Land zu halten. Nach Angaben der Online-Plattform CiberCuba hat die Insel seit 2021 mehr als 30.000 Ärzte verloren. Sie bezog sich dabei auf Angaben der staatlichen Nationalen Statistik- und Informationsbehörde (ONEI); danach sank die Zahl der registrierten Mediziner von 106.131 (2021) auf 75.364 (2024). Auch die Zahl der übrigen Beschäftigten im Gesundheitswesen ist seit Jahren rückläufig. 2023 betrug sie – einschließlich Zahnmediziner, Krankenhausschwestern, Techniker und anderer Fachkräfte – 248.512, das sind 32.586 weniger als 2022. Auch die Zahl der verfügbaren Betten in den Krankenhäusern ist gesunken.
Der Journalist Emilio Almaguer erklärte gegenüber der in den USA ansässigen spanischsprachigen Zeitung Marti Noticias: „Die Leute behandeln sich zu Hause, weil sie den Eindruck haben, daß ihnen im Krankenhaus ohnehin nicht geholfen wird.“ Medikamente seien oft nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich, die Regale in den Apotheken weitgehend leer. „Es ist ein täglicher Kampf – um Lebensmittel, Medikamente, um alles.“
Auch die Energieversorgung ist katastrophal
Neben der Emigration aufgrund der unzumutbaren Lebensverhältnisse ist ein weiterer Grund für die schlechte Versorgungslage im Gesundheitswesen, daß die Regierung gut ausgebildete Ärzte ins Ausland schickt, um dort für ihre Arbeit Geld zu kassieren. Mindestens 75 Prozent ihres Einkommens werden einbehalten. Man schätzt, daß auf diese Weise jährlich rund elf Milliarden Dollar in die Staatskasse fließen. Der Export von Medizinern stellt somit eine der Haupteinnahmequellen der sozialistischen Regierung dar.
Gesundheitsminister José Angel Portal Miranda gab öffentlich zu, daß man die Pässe der kubanischen Ärzte einbehalten habe, um, so die Begründung, zu verhindern, daß sie verloren gehen. Der wahre Grund dafür war jedoch, Fluchtbewegungen zu erschweren. Heute geht das System raffinierter vor. Ein Arzt, der während der Corona-Pandemie in Venezuela im Einsatz war, berichtet: „Man hat mir den Paß nicht abgenommen. Allerdings hatte er einen Stempel, der besagte, daß er nur für Reisen zwischen Kuba und Venezuela gültig sei.“
Vor allem die Stromausfälle machen sowohl der Wirtschaft, dem Gesundheitswesen als auch der Bevölkerung arg zu schaffen. Das nationale Stromnetz hat in jüngster Zeit mehrere landesweite Blackouts erlitten, die die gesamte Insel in eine undurchdringliche nächtliche Dunkelheit gehüllt haben. Tägliche Stromausfälle von acht Stunden sind keine Seltenheit, sondern mehr oder minder die Regel. Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts versuchte Fidel Castro, die notorische Energieknappheit mit einem wissenschaftlichen und finanziellen Kraftakt abzumildern. Havanna und Moskau vereinbarten die gemeinsame Errichtung eines Atomkraftwerks auf der Zuckerinsel. 1982 begann der Bau. Doch das ehrgeizige Projekt scheiterte während des Zerfalls der Sowjetunion, der Kuba in eine schwere wirtschaftliche Krise stürzte.
1992 verfügte Castro aus Kostengründen die vorläufige Unterbrechung des Projekts. 1997 erklärte die Regierung, daß man es „auf unbestimmte Zeit“ aufschiebe. Eine damalige Prüfung des Reaktors ergab, daß 15 Prozent aller Schweißnähte fehlerhaft waren. Die Anrainerstaaten und auch die USA atmeten auf. Zum einen, weil Kuba den Atomwaffen-Sperrvertrag nicht unterzeichnet hatte (und es bis heute nicht hat), zum anderen fürchtete man, daß der karibische Schlendrian sich zu einer atomaren Katastrophe ausweiten könnte.





