PARIS. Die französische Staatsanwaltschaft hat für die Oppositionspolitikerin Marine Le Pen fünf Jahre Haft und ein ebenso langes Verbot gefordert, für politische Ämter zu kandidieren. Für die 56jährige, der laut Umfragen gute Chancen prognostiziert werden, nächste Präsidentin Frankreichs zu werden, würde das bedeuten, daß sie im April 2027 nicht kandidieren darf.
Von der fünfjährigen Haftstrafe sollen zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt werden, forderte der Ankläger Nicolas Barret laut der Zeitung Le Monde am Mittwochabend in seinem Plädoyer. Heißt: Le Pen müßte für drei Jahre hinter Gittern. Die nächste Präsidentschaftswahl würde sie im Gefängnis erleben.
Bei dem Prozeß geht es um die Veruntreuung von EU-Geldern in Form Scheinbeschäftigungen von Assistenten im EU-Parlament. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, deren Gehälter systematisch zur Sanierung der Parteifinanzen genutzt zu haben. Le Pen entgegnete, die Assistenten hätten nicht für einzelne EU-Abgeordnete, sondern für die gesamte Gruppe gearbeitet.
Strafe für Le Pen soll sofort gelten
„Wir befinden uns hier in einem Gericht, und das Recht gilt für alle“, sagte der Staatsanwalt, der ein sofortiges Inkrafttreten des Verbots verlangte. Dies würde bedeuten, daß Le Pen von dem Entzug des passiven Wahlrechts auch dann betroffen wäre, wenn sie in Berufung geht. Es hätte keine aufschiebende Wirkung.
Der französische Staat wirft Le Pen ein „organisiertes System“ zugunsten ihrer Partei Rassemblement National (RN) vor. Die Politikerin ist Hauptangeklagte. Außerdem stehen neun der damaligen EU-Abgeordneten, zwölf ihrer damaligen Assistenten und weitere Mitarbeiter der Partei vor Gericht. Angeblich habe der RN einen Schaden von 3,4 Millionen Euro angerichtet. Das behauptet das Europa-Parlament, das als Nebenkläger auftritt.
Martin Schulz brachte Fall ins Rollen
Le Pen kritisierte die „Gewalttätigkeit“ und „Übertreibung“ der Vorwürfe: „Ich meine, der Wille der Staatsanwaltschaft besteht darin, den Franzosen die Fähigkeit zu nehmen, diejenigen zu wählen, die sie wählen wollen“ und den RN „zu ruinieren“.
Le Pens Partei zahlte bereits eine Million Euro zurück, will dies aber nicht als Schuldeingeständnis sehen. Ins Rollen gebracht hatte das Verfahren 2015 der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der 2017 für die deutschen Sozialdemokraten als Kanzlerkandidat antrat, aber sehr deutlich verlor. (fh)