Die Deutsche Welle, Propagandaorgel der Berliner Ampelmännchen, machte es in einem Kurzportrait von sieben Zeilen in einfacher Sprache überdeutlich: Raffaele Fitto, designierter EU-Kommissar und -Vizepräsident, erhielt belegfrei viermal das Schmuckwort „rechtsextrem“ – damit es ja auch der Letzte kapiert!
Dabei stammt der heutige Fratelli d’Italia-Minister eigentlich aus einem christdemokratischen Hause besserer Sorte. Sein Vater war Regionalpräsident Apuliens, dem wunderschönen, doch auch nach siebzig Jahren Subventionen bitterarmen Stiefelabsatz Italiens, wo Raffaele 1969 in der heute 13.000-Seelen-Gemeinde Maglie zur Welt kam. In seiner Jugend interessierte er sich nur für Diskotheken, Motorräder und Fußball. Doch nach sein Vaters 1988 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, mauserte sich der 19jährige zum Musterstudenten der Juristerei – der mit zwanzig für die Christdemokraten in den Regionalrat einzog, wo er bald zum Vizepräsidenten aufstieg.
Melonis Wahlsieg macht Fitto zum Minister
Als infolge des Tangentopoli-Skandals 1992 die Altparteien Italiens im Korruptionssumpf versanken und zerfielen, versuchte Fitto es zunächst mit konservativ-christlichen Kleinparteien aus der Erbmasse der einst mächtigen Democrazia Cristiana, sodann ab 2001 bei Silvio Berlusconis Forza Italia und 2015 schließlich mit der – den britischen Torys nachempfundenen – Eigengründung Conservatori e Riformisti (Konservative und Reformer). Diese fusionierte 2017 mit anderen Kleinparteien zur Direzione Italia (Richtung Italien), die wiederum 2019 mit Melonis Fratelli d’Italia verschmolz. Insgesamt war Fitto so Mitglied in nicht weniger als neun Mitte-Rechts-Parteien.
In dieser Zeit saß er dreimal im Europaparlament. Ab 2000 bekleidete Fitto wie sein Vater das Amt des Regionalpräsidenten Apuliens, bevor er dort 2005 den Kommunisten unterlag. Unter Silvio Berlusconi wurde der damals 38jährige 2008 erstmals Minister für Regionales und freundete sich mit seiner noch jüngeren Kabinettskollegin an, der 31jährigen Ministerin für Jugend und Sport Giorgia Meloni. Doch 2015 kam es mit Berlusconi wegen der Forderung nach einem Generationenwechsel zum Bruch.
Seit Melonis Wahlsieg 2022 ist Fitto erneut Minister, zuständig für Europa und also für die Vergabe der 192 Milliarden Euro, die Italien von der EU an Covid-Hilfe erhält. Während die Vorgängerregierung Draghi diese etwa für Fußballarenen in Florenz und Venedig verschwenden wollte, wird unter Fitto offenbar professioneller vergeben, denn der übliche Vorwurf illegaler Parteienfinanzierung perlte an ihm per richterlichem Freispruch ab.
Ist der „antifaschistische Schutzwall“ bald Geschichte?
In der neuen Kommission Ursula von der Leyens soll er die Regional- und Sozialfonds verantworten, also EU-Gelder in die Weiten des Ostens und den sonnigen Süden vergeben, als Verbindungsmann zur Regierung in Rom fungieren und einer von sechs Vizepräsidenten sein. Dabei hat die herrische Kommissionspräsidentin die Ressorts überlappend aufgeteilt, um in den so unvermeidlichen Streitereien ihrer Kommissare stets das letzte, entscheidende Wort zu haben.
Doch Kommunisten, Sozialisten, Grüne und Linksliberale im neuen EU-Parlament wollen Fitto in letzter Minute verhindern und ihn als „rechtsextreme Marionette Melonis“ ablehnen. Während der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion Manfred Weber ihn für einen „bestens geeigneten Brückenbauer“ hält. Sollten auch die drei Rechtsfraktionen – Europäische Konservative und Reformer (ECR), Patrioten für Europa (PfE) sowie Europa der souveränen Nationen (ESN), der die AfD angehört – zustimmen, dann hätte Raffaele Fitto auch den Segen des Parlaments und mit dem Dienstantritt der neuen Kommission am 1. November wäre der „antifaschistische Schutzwall“ gegen rechts zumindest in Brüssel und Straßburg Geschichte.