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Ukraine-Krieg: „Marder“, „Bradley“: Die mechanisierte Infanterie braucht Taxis

Ukraine-Krieg: „Marder“, „Bradley“: Die mechanisierte Infanterie braucht Taxis

Ukraine-Krieg: „Marder“, „Bradley“: Die mechanisierte Infanterie braucht Taxis

"Bradley" Schützenpanzer im Gefecht im Irak 2003. Aber auch "Marder" aus Deutschland sollen an die Ukraine geliefert werden.
"Bradley" Schützenpanzer im Gefecht im Irak 2003. Aber auch "Marder" aus Deutschland sollen an die Ukraine geliefert werden.
„Bradley“ Schützenpanzer im Gefecht im Irak 2003: Die Ukraine hofft auf Lieferungen dieser Gefährte im Krieg gegen Rußland Foto: picture alliance / abaca | TNS/ABACA
Ukraine-Krieg
 

„Marder“, „Bradley“: Die mechanisierte Infanterie braucht Taxis

Die eigene Infanterie sicher ins Gefecht zu transportieren, ist für beide Seiten im Ukraine-Krieg wichtig. Kiew hofft nun auf „Marder“ aus Deutschland. Doch trotz westlicher Waffenlieferungen haben die Russen immer noch die numerische Überlegenheit bei diesen Waffensystemen.
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Immer wieder ertönt in der Ukraine der Ruf nach IFV – nach Infantry Fighting Vehicles oder zu deutsch Schützenpanzern für Einheiten der mechanisierten Infanterie. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind diese Verbände und ihre Waffensysteme nicht mehr vom Schlachtfeld wegzudenken. Selbst in dem von Artilleriekämpfen geprägten Ukraine-Krieg werden die mechanisierten Einheiten auf beiden Seiten benötigt, um schnell in entstandene Lücken der gegnerischen Verteidigung vorzustoßen und im Verbund mit Panzerverbänden Durchstöße zu erzwingen. Dabei dienen die Schützenpanzer nicht nur im Kampf der verbundenen Waffen, sondern sind auch „Battle Taxis“, also Fahrzeuge, die Infanterie relativ sicher ins Gefecht transportieren sollen.

In Deutschland fungieren die Panzergrenadiere als Vertreter der mechanisierten Infanterie und nutzen für ihren Kampfauftrag den Schützenpanzer „Marder“. Ein Waffensystem, das laut der deutschen Bundesregierung nun auch an die Ukraine abgegeben werden soll. Damit reiht sich Berlin in die Reihe der Länder ein, die dem Ruf Kiews nach mehr IFV nachkommen. In den kommenden Monaten dürfen die Verteidiger der Ukraine damit rechnen, daß sie ihren gewaltigen und vielfältigen Fuhrpark um „Marder“ und M2A2 „Bradley“ ergänzen können.

Und das können sie gut gebrauchen. Denn die mechanisierte Infanterie der Ukraine ist die Hauptkampftruppe der Streitkräfte und ist überall direkt an der Front im Einsatz. Ihre Verbände sind es, die schwere Verluste zufügen und einstecken müssen. Während der ukrainischen Offensive zur Rückeroberung der Oblast Charkow und Cherson hat man häufig gesehen, daß Einheiten der Nationalgarde und die der internationalen Legion keinen oder nicht ausreichend Zugriff auf Schützenpanzer haben und stattdessen auf eigens zusammengebaute „Tacticals“ ( zivile Fahrzeuge, auf denen eine Waffenstation aufmontiert wurde) oder leichtere Fahrzeuge wie Humvees, FV103 Spartan oder M113 aus NATO-Arsenalen zurückgreifen mußten.

Fuhrpark der ukrainischen Truppen ist vielfältig geworden

Laut eigenen Aussagen der ukrainischen Militärführung sei es essentiell, neue Schützenpanzer und Kampfpanzer für die Offensivpotentiale der Ukraine zu vitalisieren. Selbst die Fallschirmjägereinheiten der Ukraine sind, trotz ihres Namens, nahezu ausschließlich am Boden unterwegs. Dazu sind sie aufgestellt und ausgerüstet wie mechanisierte oder motorisierte Infanterie.

Die mechanisierte Infanterie der Ukraine gliedert sich in insgesamt 31 Brigaden, die in etwa die NATO-Standardgröße von etwa 5.000 Soldaten haben, jedoch auch im einzelnen stark variieren können. Anders als beispielsweise die Panzergrenadierbrigade 41 der Bundeswehr haben die mechanisierten Infanteriebrigaden eigens zugewiesene Artillerieelemente, die in Größe und Komposition ebenfalls unterschiedlich ausgeprägt sind.

Die ukrainische Armee besaß bereits vor dem Kriegsbeginn einen gewaltigen Fuhrpark an Militärfahrzeugen, der trotz hoher Verluste durch ausländische Lieferungen und Beutefahrzeuge heute wesentlich vielfältiger und größer sein dürfte als vor dem 24. Februar. Standardmäßig führen die mechanisierten Infanteristen ihren Kampf aufgesessen in BMP-1, BMP-2, BMP-3 oder auf den Radschützenpanzern der BTR-Serie. Es ist jedoch zu beobachten, daß Variationen dieser Fahrzeuge aus den Beständen des ehemaligen Warschauer Pakts ihren Weg in die Brigaden gefunden haben.

„Marder“ und „Bradley“ und die russischen BMPs

Der hohe Verschleiß an diesen Schützenpanzern zwang die Ukraine, deren Armee aufgrund der Einberufung von neuen Soldaten zudem stark anwuchs, etliche Ausfälle von Fahrzeugen mit Substituten aus dem Westen wie dem YPR-765 aus den Niederlanden auszugleichen. Der Versuch, eigentlich als reine Truppentransportfahrzeuge konzipierte, teils umgebaute Vehikel in die Rolle eines Schützenpanzers zu drängen, ist augenscheinlich eine der Not geschuldete Entscheidung gewesen.

Die Grafik zeigt den Schützenpanzer "Bradley".
Technische Details des „Bradley“-Schützenpanzers Foto: picture alliance/dpa/dpa Grafik | dpa-infografik GmbH

Daß Schützenpanzer „Marder“ und „Bradley“ jetzt für ihren eigentlichen Zweck aus den Tagen des Kalten Kriegs, nämlich den Kampf in Mittel- und Osteuropa eingesetzt werden, könnte man als Erfüllung ihres Schicksals interpretieren. Beide Schützenpanzer verfügen über hochwertige und moderne Optik und Sensoren sowie Wärmebildgeräte, die denen ihrer russischen Pendants, BMP-1 und BMP-2, deutlich überlegen sind. Hinzu kommen automatische Zielerfassungssysteme und die Fähigkeit, sowohl Infanterie als auch Panzer effektiv zu bekämpfen.

Gerade die Nachtkampffähigkeit ist etwas, worin der Vorteil der westlichen Systeme besteht. „Marder“ und „Bradley“ wären ideal, um der Ukraine die nötige Durchschlagskraft in einer künftigen, neuen Offensive zu verleihen. Hierbei muß man sich von der Vorstellung verabschieden, daß Panzerduelle im großen Stil ausgefochten werden. Die meisten Verluste erleiden beide Seiten durch die jeweils gegnerische Artillerie. Und gegen Steilfeuer der Artillerie sind sowohl westliche als auch russische/sowjetische Panzer und Schützenpanzer gleichermaßen schutzlos.

Rußlands Depots scheinen unerschöpfbar

Da in den mechanisierten Brigaden der Ukraine zumeist auch ein Panzerbataillon eingegliedert ist, erhofft man sich hier wohl im Zusammenhang mit der Lieferung vom System „Marder“ auch Synergien mit dem „Leopard1“ oder „Leopard2“, deren Lieferung in Aussicht gestellt wurde. Daß sich daraus erneut logistische Herausforderungen für die Ukraine ergeben, die einen immer größeren Fuhrpark verwalten muß, muß einkalkuliert werden.

Gleichwohl ist trotz der angekündigten modernen westlichen Schützenpanzer die numerische Überlegenheit weiter auf der russischen Seite. Diese schafft es trotz enormer materieller und menschlicher Verluste, in Depots lagernde und von der Industrie neu gebaute BMP in allen Versionen an die Front zu schicken.

Ukraine ist Schlachtfeld der Blockkonfrontation

Der Verlust von bis zu sieben BMP-1 auf einmal, wie auf den Bildern zu sehen, erscheint angesichts des scheinbar nicht versiegenden Nachschubs noch kein Problem für Rußland zu sein. Daß die Zwangsmobilisierten aus den Oblasten der Russischen Föderation in sogenannten „stählernen Särgen“, wie die uralten BMP-1 umgangssprachlich von vielen Soldaten genannt werden, häufig von ukrainischen Verbänden stark dezimiert werden, wird augenscheinlich von Moskaus Offizieren hingenommen.

Bilder ausgebrannter Wracks, in denen die verkohlten Körper von Soldaten liegen, die es nicht geschafft haben, rechtzeitig aus den unzureichend geschützten Fahrzeugen zu fliehen, sind keine Seltenheit im Internet. „Bradley“ und „Marder“ bieten hier größeren Schutz für ihre Besatzungen durch Abwehrmechanismen und eine verbesserte Panzerung.

Eines ist sicher: für Kriegsmuseen wird das Arsenal beider Seiten höchst interessant werden. In der Ukraine treffen Waffensysteme in einem Krieg aufeinander, für den sie einst konzipiert wurden – die Blockkonfrontation zwischen Rußland (UdSSR) und Amerika (dem Westen). Die ukrainischen Militärs werden bereits jetzt, aber sicherlich spätestens nach dem Krieg als Berater für die Weiterentwicklung westlicher Waffen und Taktiken herangezogen werden.

„Bradley“ Schützenpanzer im Gefecht im Irak 2003: Die Ukraine hofft auf Lieferungen dieser Gefährte im Krieg gegen Rußland Foto: picture alliance / abaca | TNS/ABACA
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