Anders als in Deutschland gehört Gewalt auf der Straße in Ungarn eigentlich nicht zum Stadtbild. Ausgerechnet vor deutschen Touristen müssen sich die Bevölkerung und Touristen in dem Land nun offenbar in acht nehmen. Linksextremisten haben am Wochenende in Budapest mindestens acht Menschen angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Unter den vier Verdächtigen, die die Polizei mittlerweile festgenommen hat, sind zwei Deutsche, eine Italienerin und eine Ungarin, teilte der Ermittler Béla Nyerges bei einer Pressekonferenz am Montag mit.
Die Beamten gehen davon aus, daß insgesamt rund 10 bis 15 Mitglieder zu der Gruppe gehören und diese gezielt vorging. Ihr Muster: Wer Tarnhose und Stiefel trug, wurde zu Brei geschlagen. Offenbar schlossen die Angreifer von der Kleidung ihrer Opfer auf eine vermeintlich rechtsextreme Gesinnung. Nach Bild-Informationen heißen die deutschen Gewalttäter Clara W., Anna M., Emilie D., Moritz S. und Tobias E. und gehören zum linksextremen Spektrum.
Hintergrund der Attacken ist eine Reihe von Demonstrationen in der ungarischen Hauptstadt. Dort wird jährlich im Februar an den Kampf ungarischer und deutscher Soldaten gegen die Rote Armee während des Zweiten Weltkriegs erinnert. Damals versuchten sie im eingekesselten Budapest die Frontlinie der gegnerischen Truppen zu durchbrechen. Auch Radikale und extreme Rechte kommen jedes Jahr zu diesem Anlaß zusammen. Mehrere entsprechende Veranstaltungen zum „Tag der Ehre“ waren von den ungarischen Behörden vorab untersagt worden.
Autonome rufen dazu auf, nach Ungarn zu kommen
Anhänger der deutschen Autonomen-Szene riefen im Vorfeld dazu auf, nach Ungarn zu reisen und die „Nazi-Verherrlichung“ zu stoppen. „Die Kundgebung dient den Faschist*innen, sich als Opfer des Kommunismus zu imaginieren und die faschistischen Streitkräfte zu heroisieren“, wetterte die „Plattform Radikale Linke“ Anfang Februar auf Facebook. Bei dem Gedenken werde Antisemitismus offen zur Schau gestellt und SS-Symbolik gezeigt.
„Der Umgang mit dieser Veranstaltung zeigt, daß auf den Staat kein Verlass ist! Wir solidarisieren uns mit der Gegendemonstration und den Genoss*innen in Budapest Autonómia“, schrieben die Linksradikalen weiter. „Gemeinsam mit unseren Genoss:innen werden wir den ‘Tag der Ehre’ nicht unkommentiert lassen! Am 11. Februar nach Budapest!“
Seit 14 Uhr stehen wir gemeinsam mit mehreren hundert Antifaschist:innen auf der Burg in Budapest. Mehrere Gruppen von Nazis versuchen in die Burg zu kommen. Wir haben den Platz in der Burg eingenommen und werden auch weiterhin hier bleiben. Kick fascists ou of Buda castle! pic.twitter.com/moOoRs3HXM
— autonome antifa [w] (@antifa_w) February 11, 2023
Zahlreiche Linksradikale, darunter auch Autonome aus Österreich, verschanzten sich am Wochenende auf dem Gelände der Burg von Buda. „Gemeinsam mit mehreren hundert Antifaschist*innen sind wir auf der Burg in Budapest. Mehrere Gruppen von Nazis versuchen in die Burg zu kommen, werden aber mitunter von Cops gekesselt. Wir hingegen haben den Platz eingenommen und werden auch weiterhin hier stehen bleiben“, teilte eine junge Frau über Twitter mit.
Mutmaßliche Linksextremisten verletzten Mann schwer
Zwei Videoaufnahmen, die in den sozialen Medien kursiert, zeigt eine der Attacken nahe einem Budapester Kiosk am Freitag nachmittag. Zoltán T., der dort angestellt ist, läuft auf das Geschäft zu, um seine Schicht anzutreten. Plötzlich nähert sich von hinten eine Gruppe aus acht Personen, Männer und Frauen. Mit Totschlägern und Schlagringen greifen sie ihr arg- und wehrloses Opfer hinterrücks an und prügeln auf ihn ein. Selbst als er schon am Boden liegt, dreschen sie weiter auf den Mann ein. Eine alte Frau mit einem Krückstock humpelt ihm zur Hilfe und redet auf die Angreifer ein, die dem Opfer schließlich Pfefferspray ins Gesicht sprühen und flüchten.
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Zoltán T. ist schwer verletzt und kommt ins Krankenhaus. Auf dem Boden vor dem Laden zeugt eine große Blutlache von der Attacke. Seine Kopfverletzungen mußten mit ungefähr 20 Stichen genäht werden, erzählte er dem rechten Nachrichtenportal Pesti Srácok. Er vermute die mutmaßlichen Linksextremisten hätten ihn aufgrund seiner Hose in Tarnfarbe für einen Teilnehmer einer der rechten Demonstrationen gehalten. Kurz zuvor habe ihn noch eine junge Frau angesprochen und gefragt, ob er an dieser teilnehme, was er verneint habe und bekundet habe, noch nie zu dieser Veranstaltung gegangen zu sein.
Weitere Opfer sind drei polnische Touristen, zwei Pärchen, die in der Innenstadt unterwegs waren und Dudog László, Musiker einer Rechtsrock-Band sowie dessen Freundin. Alle sollen dunkle Kleidung oder Camouflage getragen haben. Auch Dudog kam ins Krankenhaus. Eines der Pärchen soll aus Deutschland stammen und schon fast in seiner Unterkunft gewesen sein, als die mutmaßlichen Linksextremisten den jungen Mann hinterrücks attackierten und schwer verletzten. Die ungarische Polizei ermittelt nun wegen des Straftatbestands „Gewalt gegen Mitglieder einer Gemeinschaft“.
Verbindung zum Komplex Lina E.?
Die Taten weisen Gemeinsamkeiten zum Vorgehen deutscher Linksextremisten in Thüringen und Teilen Ostdeutschlands auf. In den vergangenen Wochen und Monaten kam es immer wieder zu noch nicht aufgeklärten Hammerangriffen auf Anhänger der rechtsextremen Szene. Zuletzt prügelten Vermummte in Erfurt auf zwei Männer ein.
Verdächtig an der aktuellen Situation: Einer der Festgenommenen hört auf den Namen Tobias E. Der taucht auch im Komplex um die mutmaßliche linksextreme Rädelsführerin Lina E. aus Leipzig auf, gegen die der Generalbundesanwalt Anklage erhoben hat.
Gibt es Verbindungen der deutschen Täter aus #Ungarn zu Lina Engel? Beim festgenommenen Tobias E. könnte es sich um Tobias Edelhoff handeln, der laut Kronzeugen im Antifa-Ost-Verfahren zu ihrem engeren Kreis zählte. Der 29-J. spähte 2019 in Eisenach ein späteres Opfer aus. (1/2)
— Dokumentation Linksextremismus (@DokumentationL) February 13, 2023