Frankreich dankt einem Helden: Der junge Pilger Henri d’Anselme tourte neulich noch in aller Ruhe von Kathedrale zu Kathedrale. Heute ist er als „der Mann mit den zwei Rucksäcken“ im ganzen Land bekannt. Der 24jährige war am Donnerstag durch Annecy gepilgert, als er sah, wie ein Mann auf einem Spielplatz mit einem Messer auf Kleinkinder losging. Mütter versuchten verzweifelt, ihre Kleinen zu schützen.
HENRI D’ANSELME N’EST PAS UN HÉROS, au sens strict, c’est un Français Chrétien du quotidien. Naturellement, pas sa réaction courageuse en repoussant le criminel immigré syrien, au couteau ensanglanté, détonne considérablement par sa réaction, dans ce monde macronien de décadence,… pic.twitter.com/Hpc0zsyMMG
— Bernet Louis (@bernet83) June 9, 2023
Videoaufnahmen zeigen, wie d’Anselme beherzt eingriff. Notdürftig versuchte er, den bewaffneten Mann mit einem seiner zwei Rücksäcke zurückzudrängen. „Ich hatte Angst um mein Leben, aber ich hatte vor allem Angst um das der anderen“, sagte er gegenüber CNews. Er wich einem Messerstich des Angreifers aus und schützte sich mit seiner kleineren Tasche. Dann verfolgte er ihn und warf seinen Rucksack auf den Migranten. Es sei Gottes Willen gewesen, daß er zu dieser Zeit an diesem Ort war und eingreifen konnte, sagte d’Anselme französischen Medien.
Pilger von Annecy: Habe gehandelt, wie jeder Franzose handeln sollte
„Ich weiß nur, daß ich nicht per Zufall dort war. Auf meiner Reise zu den Kathedralen habe ich den Weg dieses Mannes gekreuzt und ich habe instinktiv gehandelt, wie es jeder Franzose tun sollte. Es war undenkbar, nichts zu tun“, zitiert ihn die Zeitung Le Figaro. Sein Glaube habe ihm die Kraft gegeben zu handeln, betonte der Katholik, der nach eigenen Angaben aus einer kinderreichen Familie stammt. „Ich habe mich von der Vorsehung und der Jungfrau Maria leiten lassen. Ich habe Lebewohl gesagt. Sie sollten entscheiden, was passiert.“
L’homme au sac à dos Henri d’Anselme, 24 ans qui a protégé les enfants lors de cette attaque au détriment de sa propre sécurité.
C’est acte héroïque et spontané qui mériterait le remerciement de la France @EmmanuelMacron✝️ Comme un chevalier Henri vous nous révélez la… pic.twitter.com/VAc0zCphYq
— Laurent Lasselin (@LasselinLaurent) June 8, 2023
Auch andere Passanten verfolgten den Angreifer. „Wir haben versucht, ihn einzuschüchtern und haben ihm klargemacht, daß er das nicht tun könnte“, schilderte der Pilger das verhängnisvolle Zusammentreffen. Auf Facebook hatte er seine Erlebnisse schon kurz beschrieben und hinzugefügt: „Betet für die Kinder, mir geht es gut.“ Vier Kinder waren bei der Attacke teils schwer verletzt worden.
„Zutiefst unchristlich, Schwache anzugreifen“
Bei dem 31 Jahre alten Verdächtigen handelt es sich um einen Asylbewerber aus Syrien, der zunächst einige Jahre in Schweden gelebt hatte. Laut der Polizei ist das Tatmotiv seine Wut über seinen abgelehnten Asylantrag. Nach Angaben der französischen Polizei soll der Syrer christliche Symbole bei sich getragen und sich als Christ bezeichnet haben. Auf Nachfrage stellte der Philosophie- und BWL-Student gegenüber dem Sender BFM klar: „Es ist zutiefst unchristlich, Schwache anzugreifen. Die gesamte christliche Zivilisation, auf der dieses Land aufgebaut ist, besteht in der ritterlichen Botschaft, die Witwen und Waisen zu verteidigen. Ich denke, daß ganz im Gegenteil etwas Bösen in ihm war.“
Er habe nach den Erlebnissen fürchterliche Bilder im Kopf, wolle sie aber in etwas Positives verwandeln. Er werde seine Kirchen-Tour fortsetzen und hoffe, jetzt in den sozialen Medien noch mehr Menschen von der Schönheit der Kathedralen zu überzeugen. „Ich danke dem Himmel“, fügte er hinzu. Henri d’Anselme hinzu, der schon seit Wochen in Frankreich unterwegs ist. Laut seinen Beiträgen auf Facebook und Co. begann er die Pilgerreise der Kathedralen bei der Abtei Sainte-Madeleine du Barroux nahe Carpentras, bevor er nach Avignon, Arles, Montpellier, Monaco und über die Südalpen nach Annecy weiterreiste.
Am Freitagnachmittag traf der junge Mann Präsident Emmanuel Macron. Dieser versprach ihm, ihn zur Einweihung der wiederaufgebauten Kathedrale Notre-Dame in Paris einzuladen.
Angriff befeuert Migrationsdebatte
Die Messerattacke von Annecy hat unterdessen eine neue Debatte über die Zuwanderung in Frankreich ausgelöst. Konservative und rechte Politiker kritisierten die Macrons Regierung. Unkontrollierte Massenzuwanderung sei schuld an solchen Vorfällen, sagte der Fraktionschef der konservativen Partei Les Républicains, Olivier Malics, im Parlament. „Jedes Mal hat das Übel dieselbe Ursache“, sagte er: Es liege an einer Immigration, die völlig außer Kontrolle geraten sei. Es gebe einen Zustrom von Menschen, den sie nicht mehr beherrschten.
Noch schärfere Kritik kam von der rechten Rassemblement National. Frankreich müsse wieder die Kontrolle über die Einwanderung übernehmen, forderte Vizeparteichef David Rachline. Andere beklagten, Migranten wie der Messerstecher von Annecy würden nicht konsequent abgeschoben.
Frankreich Premierministerin Élisabeth Borne zeigte sich bei einem Besuch in Annecy erschüttert. Eine Debatte über Migration wollte sie aber nicht führen. Präsident Macron besuchte am Freitag ebenfalls Annecy. Er vermied jedoch einen längeren Aufenthalt am Ort des Angriffs. Wie Le Figaro schrieb, verließ er den Schauplatz direkt und ohne über den Platz zu gehen, mit einer kurzen Handbewegung aus dem Fenster seines Wagens. Auf Nachfrage rechtfertigte der Bürgermeister der Stadt diese schnelle Abreise mit dem Wunsch, den Besuch „nicht zu überladen“.