LONDON. Der britische Premierminister Rishi Sunak hat seine Innenministerin Suella Braverman entlassen. Zuvor wurde sie von der linken Opposition wiederholt scharf kritisiert. Ihr Nachfolger wird der bisherige Außenminister James Cleverly. Ein politisches Comeback macht der frühere Premier David Cameron, er wird Außenminister.
Braverman schrieb in einem kurzen Statement, es sei das „Privileg ihres Lebens“ gewesen, Innenministerin zu sein. Sie werde zu gegebener Zeit mehr sagen. Ihre Entlassung dürfte die Spannungen in der Konservativen Partei weiter anheizen. Braverman gilt als Aushängeschild des rechten Parteiflügels.
Braverman forderte harte Linie gegen Hamas-Sympathisanten
Am Wochenende nahmen die Kontroversen die Tory-Politikerin zu, nachdem sie vor der pro-palästinensischen Großdemonstration in der Hauptstadt in einem Gastbeitrag in der britischen Tageszeitung The Times linke Doppelstandards bei der Polizei kritisiert hatte. Sie warnte davor, Hamas-Sympathisanten zu verharmlosen. Vielen Demonstranten gehe es nicht nur um Solidarität mit Gaza, sie seien in Wahrheit Islamisten.
„Leider hat man den Eindruck, daß hochrangige Polizeibeamte bestimmte Demonstranten bevorzugt behandeln. Warum wurde während Covid den Lockdown-Gegnern von der Polizei kein Pardon gegeben, während die Demonstranten von Black Lives Matter die Erlaubnis erhielten, gegen die Regeln zu verstoßen, und sogar von den Beamten mit einem Kniefall begrüßt wurden?“, fragte Braverman.
„Auf rechte und nationalistische Demonstranten, die sich aggressiv verhalten, gibt es zu Recht eine strenge Antwort, während pro-palästinensische Mobs, die fast das gleiche Verhalten an den Tag legen, weitgehend ignoriert werden, selbst wenn sie eindeutig gegen das Gesetz verstoßen.“
Ungleiche Behandlung von Demonstranten
Ihr Gastbeitrag hatte bei der Linken zu einem Aufschrei geführt. Labour schimpfte, daß Braverman die Polizei angegriffen und Gewalttäter ermuntert habe. Außerdem war der Gastbeitrag offenbar nicht mit Ministerpräsidenten Sunak abgestimmt. Am Samstag eskalierte die Situation in London. Rechtsgerichtete Hooligans lieferten sich Rangeleien rund um das Kriegsopfer-Mahnmal, das Kenotaph, gegenüber der Downing Street.
Die Polizei sprach von „extremer Gewalt“. Es kam zu rund hundert Festnahmen. Daß auf der Pro-Palästina-Demonstration mit rund 300.000 Teilnehmern auch vermummte Hamas-Sympathisanten mitliefen und Plakate mit Davidstern-Hakenkreuz-Montagen gezeigt wurden, unterband die Polizei dagegen nicht.
Braverman führte eine restriktive Migrationspolitik
Braverman wurde auch für ihre restriktive Migrationspolitik kritisiert. Sie ist Verfechterin des Ruanda-Plans, nach dem illegale Einwanderer nach Ruanda ausgeflogen werden. Am Mittwoch wird der Oberste Gerichtshof urteilen, ob das Ruanda-Modell rechtmäßig ist.
Mit der Entlassung der Innenministerin stachelte Sunak die Wut der Parteirechten an. „Wir sind in Ekstase“, sagte ein Ex-Minister vom eurokritischen Flügel der European Research Group (ERG) am Montagvormittag sarkastisch gegenüber der „Daily Mail“.
Einige Beobachter halten es für denkbar, daß nun ein offener Tory-Bürgerkrieg ausbricht. Die Partei liegt in Umfragen fast 20 Punkte hinter der linken Labour-Opposition. Eine Niederlage bei der Parlamentswahl, die vermutlich in einem Jahr stattfindet, scheint unausweichlich. Spätestens dann wird der Nachfolgekampf um die Parteiführung ausbrechen. Braverman ist eine der führenden Bewerberinnen. (js)