BRÜSSEL. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Pläne für einen „Gas-Notfallplan“ verteidigt. EU-Mitgliedsstaaten sollten mit „denjenigen Mitgliedern teilen, die stärker betroffen sind“. Eine Gas-Krise würde schließlich alle Länder des gemeinsamen Binnenraums treffen. „Auch Mitgliedstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen“, sagte sie der dpa.
Die EU-Kommission selbst werde sich ebenfalls am Energiesparkurs beteiligen, unterstrich von der Leyen. Je nach Einsparpotential werde sie „die Temperatur anpassen und die Betriebszeit von Heizungen, Klimaanlagen und Beleuchtungen optimieren“. Alle könnten etwas tun, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Natürlich solle der öffentliche Sektor dabei „mit gutem Beispiel vorangehen“. Ziel der Behörde sei es, bis 2030 klimaneutral zu sein. Putin überziehe die Ukrainer mit einem ungerechtfertigten, brutalen Krieg. „Wir sollten alles dafür tun, ihm den Geldhahn abzudrehen“, mahnte von der Leyen.
Once more we have testing times ahead of us.
I am confident that we can master this energy crisis, together.
Russia’s attempt to blackmail us this winter will fail.
We will come out stronger. pic.twitter.com/zNoWaIVCG5
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) July 20, 2022
Mehrere EU-Länder stellen sich quer
Zuvor hatten sich mehrere EU-Mitgliedsstaaten kritisch zu den Vorschlägen für einen „Gas-Notfallplan“ geäußert. Die Regierung Portugals könne den Vorschlag überhaupt nicht akzeptieren, weil dieser „unhaltbar“ sei, erklärte der Staatssekretär für Umwelt und Energie, João Galamba, vergangene Woche im Gespräch mit der Zeitung Público. „Wir konsumieren Gas aus absoluter Notwendigkeit“, betonte er. Auch die spanische Ministerin für ökologischen Wandel, Teresa Ribera, hatte moniert, Spanien könne keine Opfer bringen, über die es nicht gefragt worden sei. „Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier in Sachen Energieverbrauch nicht über unsere Verhältnisse gelebt.“
NORTH vs SOUTH 2.0:
Spain, Greece and Portugal reject the EU call for 15% cuts in natural gas consumption to help Germany
Spanish Energy Minister (clearly aiming at Berlin): „Contrary to other countries, Spain hasn’t been living beyond its means in energy terms“#EnergyCrisis
— Javier Blas (@JavierBlas) July 21, 2022
Auch in Warschau stießen die Pläne auf Ablehnung. Um Deutschland im Winter mit Erdgas zu versorgen, müßten im Verhältnis zu Berlin erst einige Meilensteine erreicht sein, sagte der Generalsekretär der Regierungspartei PiS, Krzysztof Sobolewski, im polnischen Fernsehen. Ein solcher Meilenstein könnte „die Frage der Kriegsreparationen“ sein. „Wir sind immer offen und bereit zu helfen – das sieht man am besten an der Situation in der Ukraine“, sagte Sobolewski mit Blick auf die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge.
Als anderen Meilenstein sah er eine Entschuldigung Deutschlands dafür, die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 immer als rein wirtschaftliches Projekt dargestellt zu haben. Polen und andere östliche EU-Länder hätten von Anfang an gewarnt, die Gasleitungen könnten als politisches Druckmittel Moskaus dienen.
Von der Leyen hofft auf „Sicherheitsnetz“
Der Plan der EU-Kommission sieht vor, daß alle EU-Staaten freiwillig Anstrengungen unternehmen, um ihren Gasverbrauch zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 um mindestens 15 Prozent zu reduzieren. Als Vergleichswert soll der Durchschnittskonsum im gleichen Zeitraum der vergangenen fünf Jahre dienen. Im Fall eines akuten Gasnotstandes soll eine Drosselung des Konsums zudem auch verordnet werden können. Eine unzureichende Vorbereitung auf einen russischen Lieferstopp könnte nach Einschätzung der EU-Kommission einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um im Durchschnitt 0,9 bis 1,5 Prozent zur Folge haben.
Die Vorschläge der Kommission sind am kommenden Dienstag Thema bei einem Sondertreffen der Energieminister der EU-Staaten in Brüssel. Von der Leyen äußerte sich zuversichtlich, auf breite Zustimmung zu treffen. Sie sei sich sicher, daß sich die Energieminister „ihrer Verantwortung bewußt sind“. Wichtig sei jetzt, ein Sicherheitsnetz für alle zu knüpfen, um es sicher durch die beiden nächsten Winter zu schaffen. (st)