MOSKAU. Der russische Haushaltsüberschuß ist laut einem Medienbericht im vergangenen August stark eingebrochen. Er schrumpfte bereits in den ersten acht Monaten des Jahres 2022 auf umgerechnet etwa 2,3 Milliarden Euro, habe aber im Juli noch circa 14,7 Milliarden Euro betragen. Schon Anfang August sei dieser Wert auf 4,9 Milliarden Euro abgestürzt, wie das auf Finanznachrichten spezialisierte Medienunternehmen „Bloomberg“ am Montag berichtete. Ursprünglich hatte der Kreml im laufenden Jahr mit einem staatlichen Überschuß von über 22 Milliarden Euro gerechnet.
Als Ursachen für den Einbruch der russischen Staatsfinanzen nannte der Bericht die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen, eine „geringere Energieproduktion“ sowie sinkende Einnahmen aus Öl- und Gasexporten. Die Sanktionen sorgten für weniger Exporte russischer Rohstoffe und Energieprodukte und demzufolge auch für weniger Steuereinnahmen. Der Staatshaushalt der Russischen Föderation, der noch vor dem Ukraine-Krieg verabschiedet wurde, sei sehr stark auf laufende Einnahmen, vor allem im Rohstoffmarkt, angewiesen.
Einnahmequellen bleiben für Rußland begrenzt
„Wir gehen davon aus, daß sich der Überschuß in naher Zukunft, wahrscheinlich noch im September, in ein Defizit verwandeln wird, da der Bedarf des Staates wächst, aber Einnahmequellen begrenzt bleiben“, sagte die Finanzanalytikerin Natalia Lavrova vom Kreditinstitut BCS Financial Group gegenüber dem Medium.
Sollte Moskau seine Defizite im Haushalt nicht beseitigen können, werde Rußland in diesem Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von weniger als drei Prozent verzeichnen. Noch zu Jahresbeginn gab es in der russischen Wirtschaft angesichts gestiegener Öl- und Gaspreise „Anzeichen der Stabilisierung“, auch weil Rußland viele seiner Gaslieferungen und Rohöl nach Europa sanktionsbedingt mit einem Abschlag verkaufen konnte. Doch da sich in letzter Zeit immer mehr Käufer zurückzögen, aber die Moskauer Staatsausgaben nicht nur wegen des Krieges gleich hoch blieben, sei diese Entwicklung erklärbar.
Ukrainische Offensive mitverantwortlich für Defizit
Auch die lettische Ausgabe der Financial Times berichtete am Montag über militärpolitische Ursachen für die Verschlechterung der russischen Staatsfinanzen. Das Zurückschlagen der russischen Armee durch ukrainische Truppen im Nordosten der Ukraine sei ein wesentlicher Faktor für die sinkenden Energieeinnahmen und das Schrumpfen des russischen Haushaltsüberschusses.
In den ersten acht Monaten dieses Jahres brachen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die russischen Rohstoffexporte um bis zu 18 Prozent ein, auch die EU-Sanktionen auf russische Kohle und das Pausieren von Nord Stream 1 hatten daran ihren Anteil. Das russische Energieunternehmen Gazprom hatte bereits mitgeteilt, daß die Gasproduktion in den ersten acht Monaten des Jahres im Jahresvergleich um 15 Prozent zurückgegangen sei. Russische Nicht-Rohstoff-Ausfuhren gingen im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent zurück. Die Exporte nach Europa brachen insgesamt um ein Drittel ein.
Rußlands Zentralbank berät über Krise
Die Finanzzeitung zitierte Analytiker, die bis 2023 einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um bis zu minus fünf Prozent prognostizieren. Die russische Zentralbank plane für Mitte September eine Dringlichkeitssitzung, um über die weitere Entwicklung der russischen Zinsen und des Rubels zu beraten.
Beide Berichte räumten gleichzeitig ein, Angaben zu den russischen Staatsfinanzen könnten nicht unabhängig überprüft werden, da das russische Finanzministerium keine monatlichen Kennzahlen veröffentliche. Dies mache Vergleiche und endgültige Aussagen sowie Prognosen schwierig, urteilte Bloomberg. (ab)