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Präsidentschaftskandidatur: Z wie Zemmour

Präsidentschaftskandidatur: Z wie Zemmour

Präsidentschaftskandidatur: Z wie Zemmour

Eric Zemmour
Eric Zemmour
Éric Zemmour Foto: picture alliance / abaca | ABACA
Präsidentschaftskandidatur
 

Z wie Zemmour

Éric Zemmour hat seine Kandidatur erklärt. Mit einem zehnminütigen Video wendet er sich an die Franzosen. Darin erinnert er seine Landsleute an das „ewige Frankreich“, die Grande Nation, und zeigt auf, was seiner Ansicht nach zu ihrem heutigen Zerfall gefüht hat.
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Éric Zemmour hat seine Kandidatur erklärt. Mit einem zehnminütigen Video wendet er sich an die Franzosen. Die Entscheidung ist gefallen: Im kommenden April wird er an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen.

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In Deutschland ist Zemmour noch kaum bekannt. Aber bei unserem westlichen Nachbarn spielt er seit Jahren eine wichtige Rolle für den politischen Journalismus. Zemmours Beiträge gelten bei Anhängern wie Gegnern als meinungsbildend.

Die Sendung „Face à l‘ Info“ von CNews, die er wesentlich gestaltet hat, erreichte mit 1,1 Millionen Zuschauern – etwa 6,5 Prozent der Zuschauer insgesamt – eine Rekordeinschaltquote. Bezeichnenderweise sackte die Zahl nach dem Ausscheiden Zemmours im September um fast die Hälfte ab.

Die Ursache von Zemmours Erfolg war nicht die große Zahl interessanter Gesprächspartner aus allen politischen Lagern und sehr verschiedenen Disziplinen, die er eingeladen hat, sondern die scharfe Kritik, die er am politischen wie am publizistischen Mainstream äußerte. Seine Popularität wuchs mit der Krise, in die das System Macron seit 2018 geraten ist, ging aber vor allem auf ein wachsendes Unbehagen des Durchschnittsfranzosen an der Gesamtentwicklung des Landes zurück.

Niedergang und Verwahrlosung

Zemmour hat diesem Unbehagen schon früher als Kolumnist des Figaro und in seinen Büchern Ausdruck verliehen und seinen Finger unerbittlich und unerschrocken (gegen ihn waren und sind sechzehn Strafverfahren wegen Meinungsdelikten anhängig) in die offenen Wunden des Gemeinwesens gelegt: den wirtschaftlichen Niedergang, die Verwahrlosung der Städte, den Abstieg des Mittelstandes, den Kollaps des Bildungssystems, das sprunghafte Anwachsen der Kriminalität.

Vor allem aber geht es Zemmour um das, was er unumwunden „Dekadenz“ nennt: das Laissez-faire der Verantwortlichen, den Ausverkauf der Industrie, den Mangel an Nationalstolz, das Fehlen jedes Selbstbehauptungswillens, das Desinteresse an, wenn nicht die Feindseligkeit gegenüber dem christlichen Erbe, den antiweißen Rassismus, die Diktatur ideologischer Minderheiten, die wachsende Macht des Islam und „den großen Austausch“ durch Masseneinwanderung und den Prozeß einer Gegenkolonialisierung, der dazu geführt hat, daß ganze Viertel französischer Städte mittlerweile so aussehen, als ob sie irgendwo im Maghreb oder in Togo lägen.

Themen, die Zemmour auch in dem eingangs erwähnten Video anspricht. Während er den Text kaum modulierend vorliest und die Musik nur allmählich dramatischer wird, sprechen die Bilder eine eigene Sprache: Pöbel, mit und ohne Migrationshintergrund, der irgendetwas zerstört oder auf Polizisten losgeht, Flammen in der Nacht, ein Slum aus Zelten und provisorischen Behausungen in einem trockenen Kanal, das Freitagsgebet auf offener Straße, die verstörend bunte Bevölkerung, Aktivisten, die den Verkehr blockieren, ein geköpftes Denkmal.

De Gaulles als Vorbild

Die Sequenzen sind kurz, genügen jedoch als Anker zur Erinnerung an das, was jeder irgendwo schon gesehen hat. Entscheidend ist aber, daß Zemmour es nicht bei der negativen Botschaft beläßt. Vielmehr beschwört er das „ewige Frankreich“ der Kathedralen und der Ritterschaft, das Frankreich der Gelehrten und der Literaten, der Architekten und der Bildhauer, das Frankreich der Jeanne d‘ Arc und Ludwigs XIV., das Frankreich Napoleons und Clemenceaus, der Poilus in den Gräben des Ersten Weltkriegs und der Soldaten der Befreiung, das Frankreich der Schlösser und das Frankreich der Barrikaden, das Frankreich der Concorde und das Frankreich des Savoir-vivre.

Unvermeidbar ist in diesem Zusammenhang der Auftritt Charles de Gaulles. Er ist Zemmours eigentliches Vorbild, was in seiner Bedeutung von den deutschen Kommentatoren am wenigsten verstanden wird. Für sie handelt es sich selbstverständlich um einen „Hetzer“ oder „Rechtsextremisten“ und – trotz seiner jüdischen Herkunft – um einen „Antisemiten“.

Was sie offenbar nicht begreifen, ist, daß Zemmour an eine politische Tradition anknüpft, die in Frankreich manchmal stärker, manchmal schwächer zum Tragen kommt, aber nie ganz verschwindet: jenes bonapartistische, gaullistische, nationalpopulistische Moment, dessen Wirkung darauf beruht, daß jenseits der üblichen Scheidung von links und rechts die Einheit der Nation als ausschlaggebender Faktor zur Geltung gebracht wird.

Dämonisierung durch die Medien

Zemmour ist sich darüber im klaren, daß er mit diesem Ansatz nicht nur Macron und die etablierten Kräfte im Lager der Sozialisten und Kommunisten herausfordert, sondern auch die Kandidaten der Republikaner und des Rassemblement National. Wenn er sich trotzdem Chancen ausrechnet – Umfragen sehen ihn auf dem zweiten oder dritten Platz hinter dem Amtsinhaber –, dann vor allem, weil er glaubt, das Lavieren der Bürgerlichen ebenso überspielen zu können wie die Desorientierung Marine Le Pens.

Zemmours Stil hat manchmal etwas verstörend Aggressives, und sicher wird er auf ungewohntem Parkett noch Fehler machen. Die Dämonisierung durch die Medien dürfte ein Übriges tun. Aber man sollte nicht vergessen, daß er deren Instrumentarium besser beherrscht als die meisten und Macron vorgemacht hat, daß es in Frankreich durchaus möglich ist, an den Altparteien vorbei ad hoc eine selbständige politische Kraft zu bilden und sich direkt an das Volk zu wenden.

Dem dient auch der Entwurf eines Zielbildes, das in Teilen des Films erkennbar wird: durch den Kontrast zwischen nostalgischen Aufnahmen aus dem früheren Frankreich der 1950er und 1960er Jahre und Szenen aus dem heutigen, aber mehr noch durch das Auftreten der jungen Leute der „Generation Z“, deren Einsatzfreude und Unverbrauchtheit mitreißend wirkt und Zukunftsorientierung signalisiert.

Das letzte Buch Zemmours trägt den Titel La France n’a pas dit son dernier mot – „Frankreich hat nicht sein letztes Wort gesprochen“. Man darf gespannt sein, ob diese Parole eine ähnlich mobilisierende Kraft gewinnen kann, wie einmal de Gaulles „Franzosen, ich habe Euch verstanden!“

Éric Zemmour Foto: picture alliance / abaca | ABACA
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