BERLIN. Nach Namibia will nun auch Tansania Reparationsforderungen an Deutschland wegen der Kolonialzeit richten. „Ziel ist eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Tansania über die koloniale Vergangenheit. Wir hoffen, sie mit moralischen Argumenten zu erreichen“, sagte der tansanische Botschafter Abdallah Possi der Süddeutschen Zeitung. Sollte sich die Bundesrepublik dem verweigern, „dann werden wir statt dem moralischen eventuell auch den rechtlichen Weg gehen“.
Neben Reparationen gehe es auch um die Rückgabe von Kulturobjekten und sterblicher Überreste von Eingeborenen. Um wie viele es sich handele, könne noch nicht genau gesagt werden. Es müsse geklärt werden, welche dieser Objekte den Deutschen freiwillig gegeben wurden, erläuterte Possi.
Im Gegensatz zu Namibia, das während der Kolonialzeit auch zum deutschen Einflußgebiet gehörte, habe es im heutigen Tansania keinen Völkermord gegeben. Allerdings hätten die deutschen Truppen bei der Bekämpfung des Maji-Maji-Aufstandes Kriegsverbrechen verübt, begründete Possi die Forderungen.
US-Politologe: Deutscher Kolonialismus war Erfolgsgeschichte
Daß Tansania erst über 100 Jahre nach dem Ende der deutschen Herrschaft aktiv werde, liege unter anderem an der wachsenden Bereitschaft der Politik, über das Thema zu sprechen. Possi verurteilte die koloniale Herrschaft der europäischen Nationen über Afrika. „Jeder weiß ja, daß der Kolonialismus nicht gut war, und es ist ein offenes Geheimnis, daß damals viel Schlimmes passiert ist.“
In jüngster Vergangenheit sorgte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Bruce Gilley international für Aufsehen mit seinen Thesen, wonach insbesondere der deutsche Kolonialismus für Afrika eine Erfolgsgeschichte gewesen sei. Tansania war von 1885 bis 1918 Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Die deutsche Schutztruppe schlug dort den Maji-Maji-Aufstand nieder, der von 1905 bis 1907 tobte. (ag)