Auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es eine Rubrik, die Beispiele gelungener Integration aufzählt. Die Botschaft ist unmißverständlich – allen Negativ-Berichten zum Trotz soll die Bilanz des Einwanderungslands Deutschland als Erfolgsgeschichte dargestellt werden.
Eine intensive Auseinandersetzung mit der Problematik zeigt, daß es bei diesem sensiblen Thema kein Schwarz oder Weiß geben kann. Anfang des Jahres hatte die Studie „Index zur Messung von Integration“ des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung für Aufsehen gesorgt, bestätigte sie doch die vorherrschende Meinung, daß Zuwanderer aus dem europäischen Kulturraum vergleichsweise ebensogut integriert sind wie Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion oder auch Asiaten.
Unterdurchschnittlich schneiden dagegen laut der Studie, die den Namen „Ungenutzte Potentiale“ trägt, die türkischen Einwanderer ab. Deren Anteil an den Zuwander-Gruppe ohne Schulabschluß ist besonders hoch (30 Prozent), der mit Hochschulberechtigung besonders gering (14 Prozent). Nur ein Drittel der Türken hat einen deutschen Paß, die überaus meisten heiraten jemanden, der ebenfalls türkische Wurzeln hat.
Dennoch haben die Experten neue Ansätze für ihre Analyse herangezogen. Erstmals wurde nach dem eigenen Geburtsland und dem der Eltern gefragt sowie nach Nationen differenziert. Daraus ergab sich die Möglichkeit, nicht nur zwischen Ausländern und Deutschen zu unterscheiden, sondern auch das Verhalten der Eingebürgerten herauszuarbeiten.
Und das zeigt das elementare Problem der deutschen Einwanderungssituation: „Die Türken mit deutscher Staatsangehörigkeit sind deutlich besser integriert als ihre Landsleute, die nur den türkischen Paß besitzen“, heißt es in der Studie. Und: Die hierzulande geborene zweite Generation schneidet besser ab als ihre Eltern.
Mit Hilfe von zwanzig Indikatoren haben die Mitarbeiter des Instituts den erwähnten Index ermittelt, erstmals wurden auch Faktoren wie binationale Ehe und Einbürgerung analysiert.
Nimmt man die Ergebnisse der Studie zum Anlaß, die bisherige Praxis auf den Prüfstand zu stellen, dann kommt man um die Erkenntnis nicht herum, daß ausgerechnet die Integration der größten Migranten-Gruppe, nämlich der Türken, mißlungen ist. Es gibt türkischstämmige Politiker wie den Christdemokraten Bülent Arslan, der die Problematik sieht, aber der deutschen Politik die Generalverantwortung zuweist. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Immer noch heiratet die überwältigende Mehrheit der eingewanderten Türken einen Landsmann oder eine Landsfrau. So ist auch erklärbar, daß selbst die Integrationserfolge der zweiten Generation schlechter ausfallen als bei anderen Zuwanderungsgruppen.
Hinzu kommt, daß gerade die Türken ab 1961 Jahren als ungelernte Kräfte für die Stahlindustrie oder den Bergbau angeworben wurden. Als die Zechen stillgelegt und die Stahlwalzen abgeschaltet wurden, verloren sie ihre Arbeit und schufen ohne Bindungen und vernünftige Ausbildung für eine Einwanderungsschicht von Transferleistungs-Empfängern. Die Aussiedler, die zum großen Teil erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten zugewandert sind, konnten dagegen meist eine gute Schulausbildung und häufig auch einen Hochschulabschluß vorweisen. Die Studie belegt, daß sie häufig Ehen mit einheimischen Deutschen eingegangen sind.
Das Berliner Institut prognostiziert: „Der Einwanderungshintergrund dieser Gruppe wird sich vermutlich schon in der nächsten Generation auflösen.“ Am besten integriert sind die Zuwanderer aus den Ländern der Europäischen Union. Hierbei ist allerdings zu unterscheiden, daß die klassischen Anwerbeländer Italien, Jugoslawien, Portugal und Griechenland gesondert betrachtet werden müssen. Deren schulische Situation ist teilweise vergleichbar mit jener der türkischen Gruppe.
Dennoch gibt es signifikante Unterschiede, die wohl mit den kulturellen Hintergründen erklärbar sind. So gelten auch die Menschen aus den vier genannten Anwerbeländer als deutlich besser integriert als die Türken. Dies betrifft vor allem die soziale Integration. Europäische Einwanderer nehmen viel mehr am deutschen gesellschaftlichen Leben teil als etwa die Türken, die sich ihre Parallelgesellschaften geschaffen haben. So gaben beispielsweise rund 90 Prozent der Italiener an, mit Deutschen private Kontakte zu unterhalten – bei den Türken waren es nur rund 60 Prozent. Deutschlandweit sind unter den binationalen Paaren die deutsch-italienischen Ehen an erster Stelle.
Generell gilt festzustellen, daß die rund zwei Millionen Menschen aus den „Weiteren Ländern der EU-25“ am besten integriert sind. Sie gehören zumeist zu der europaweiten Wanderungselite, die leicht Beschäftigung findet und sehr gut gebildet ist – sogar besser als der Durchschnitt der einheimischen Bevölkerung. Letztlich ist die Lösung der Einwanderer-Frage erstaunlich einfach. So besagt die Studie: „Dort, wo der Arbeitsmarkt aufnahmefähig ist, funktioniert die Integration am besten.“