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Kampf um die Festung Kanzleramt

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Die Wahlen von 2009 wird gewinnen, wer dem Bürger die überzeugendsten Rezepte gegen die Wirtschaftskrise präsentiert. Die ökonomische Vernunft hätte geboten, den Bundesbürgern per 1. Januar die Steuern zu senken und so Konsum oder Spartätigkeit (die auch wichtig ist für die Kreditbeschaffung der Wirtschaft) anzukurbeln. Sofort möglich gewesen wäre etwa eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Doch Kanzlerin Angela Merkel denkt anders. Sie will das Füllhorn für die Massen im Laufe des Jahres präsentieren und – falls die Krise nicht zu schnelleren Schritten zwingen sollte – erst zur Bundestagswahl am 27. September oder zum 1. Januar 2010 ausschütten. Kurzfristig werden dennoch weitere Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft notwendig sein, auch wenn es sich dabei nicht um Steuerentlastungen für die Bürger handeln wird. Die Pferde wollen einfach nicht saufen, hätte Karl Schiller, der SPD-Wirtschaftsminister der sechziger Jahre, gesagt. Das Entlastungs- und Wirtschaftsförderungspaket, das die Berliner Koalition auf den Weg brachte, wird bestenfalls eine Strohfeuerwirkung haben. Merkel, die Steuersenkungen bisher stets abgelehnt hatte, sattelte plötzlich um, als das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Kürzungen der Großen Koalition bei der Pendlerpauschale verwarf. 7,5 Milliarden bekämen die Arbeitnehmer durch die alte, jetzt wieder gültige Pendlerpauschale zusätzlich vom Finanzamt, so die Bundesregierung. Merkel versuchte das Scheitern ihrer eigenen Steuerpolitik als Entlastung der Bürger und als Konjunkturförderungsprogramm darzustellen. Daß die Kanzlerin schnell die Themen wechselt, wenn es opportun erscheint, wird auf einem anderen Gebiet klar. War die deutsche Regierungschefin nicht nach Grönland gereist, um sich dort vor einem tauenden Gletscher als Retterin des Weltklimas preisen zu lassen? Der Klimaschutz spielt plötzlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Posen, wo die Vereinten Nationen eine wichtige Klimakonferenz abhielten, wurde nicht zum Mekka aller Fernsehteams, weil die Krise die EU in Atem hält. Beim EU-Gipfel wurden dem Klimakonzept ganz schnell die Zähne gezogen, die die Industrie hätten beißen können. So bekommt die Schwerindustrie die Emissionszertifikate jetzt erstmal kostenlos. Merkel habe sich von ihrer Führungsrolle im Klimaschutz verabschiedet und sei zum verlängerten Arm der Energieindustrie geworden, empörte sich Greenpeace. Die Kritik der Umweltschutzorganisation mag zutreffen. Merkel hat sich tatsächlich vom Umweltschutz verabschiedet, um ihre Führungsrolle in der deutschen Politik nicht zu verlieren. Sie muß die Pferde wieder zum Saufen bringen, um mehr Stimmen für die CDU einzusammeln. Bei der ersten Wahl des neuen Jahres am 18. Januar zum Hessischen Landtag ist noch ein anderer Faktor mitbestimmend. Dort dürfte die SPD die Quittung für Wortbruch und Törichtereien ihrer ehemaligen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti erhalten. Hessen wird nach Überzeugung fast aller Beobachter zeigen, daß die rot-rot-grüne Variante in der deutschen Politik zur Zeit nicht ankommt, und damit nicht nur das Überleben von Ministerpräsident Roland Koch (CDU), sondern zugleich das der Kanzlerin garantieren. Schwarz-Gelb in Wiesbaden würde dieses Modell auch auf der Bundesebene stärken. Und falls es mit der FDP im Bundestag nach dem 27. September doch wieder nicht reichen sollte (siehe den Artikel auf dieser Seite), hat Merkel immer noch die Option einer Großen Koalition. Die Chancen der SPD, die Union zu überholen, sind in den letzten Wochen nicht gestiegen, auch wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier der beliebteste deutsche Politiker ist. Merkel rechnet mit Köhlers Wiederwahl Gestärkt von einem guten Hessen-Ergebnis dürfte Merkel noch im Januar mit einem neuen Konjunkturpaket aufwarten, selbst wenn sie derzeit weitere Maßnahmen ablehnt. Vorrangig muß die Autoindustrie gestützt werden. Die ersten Zulieferer gehen in Konkurs. Die großen Hersteller haben 2009 eigene Anleihen im zweistelligem Milliardenbereich neu zu finanzieren. Nur sind keine Banken, Investoren oder Anleger bereit, den Autoschmieden soviel Geld zu leihen – und wenn doch, dann nur zu horrenden Zinsen, die die Industrie nicht zahlen kann und will. Da die Steuerbefreiung für Neuwagenkäufer nicht viele Effekte hervorbringen wird, bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als die Autoindustrie mit flankierenden Maßnahmen zu stützen, da letztlich jeder siebte Arbeitsplatz – direkt oder indirekt – von Mercedes, VW und Co. abhängt. Merkel erwartet außerdem, daß Bundespräsident Horst Köhler am 23. Mai von der Bundesversammlung für weitere fünf Jahre bestätigt wird. Köhlers Wiederwahl würde unweigerlich ein Signal für eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland darstellen und die Chancen der Union für den Bundestag verbessern. Und nur die Bundestagswahl zählt für Merkel. Länder wie Thüringen und Sachsen, in denen auch gewählt wird, sind ihr weniger wichtig, weil die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ohnehin unübersichtlicher werden. Letztlich geht es der Union nur um die Festung Kanzleramt. Diese könnte aus heutiger Sicht gehalten werden.

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