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Berliner Farbenlehre

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Worte wie in Stein gemeißelt: „Weil die Programme von Rot-Grün zu Mehrbelastungen für die Bürger führen, stehen die Freidemokraten nicht als Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün zur Verfügung“, heißt es in dem auf dem FDP-Parteitag in Potsdam am vergangenen Wochenende beschlossenen Wahlaufruf. Und der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Rainer Brüderle rief nach dem Parteitag: „Kein Gehampel, kein Geampel.“ Gemeint war, daß die FDP auf keinen Fall in eine Koalition mit SPD und Grünen einzutreten gedenkt („Ampel“) – vermutlich die einzige Option, mit der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier Bundeskanzler werden könnte.

Denn die andere Möglichkeit, ein Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei, wurde vor der Bundestagswahl von allen führenden Sozialdemokraten wie Parteichef Franz Müntefering und auch Steinmeier so konsequent ausgeschlossen, daß es nur über ihren Rücktritt zustande kommen könnte. Damit ist diese Option für 2009 vom Tisch; wer aber 2010 die SPD führen und dann mit welcher Konstellation ins Kanzleramt streben wird, ist eine ganz andere Frage.

Indes versicherte Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel am Wochenende in Braunschweig: „Die Große Koalition wird es nicht mehr geben.“ Der scheidende SPD-Fraktionschef Peter Struck schließt ebenfalls aus, daß es noch einmal zu einer Neuauflage der Regierung von Union und SPD kommt: „Beide wollen sie nicht, und ich glaube, sie kommt auch nicht.“ CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer kämpft „mit aller Kraft“ gegen eine Neuauflage der Großen Koalition.

Was bleibt, wäre zum Beispiel ein Bündnis von Union, FDP und Grünen („Jamaika“). Eine höfliche Gesprächseinladung der Union werde sicher nicht ausgeschlagen, meint Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, schränkte aber in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gleich ein: „Realistischerweise muß man sagen, daß wir mit Parteien, die Steuern für Reiche senken und den Neubau von Atomkraftwerken wissenschaftlich untersuchen lassen, nicht auf einen grünen Nenner kommen.“

Es bleibt also festzustellen, daß die Linkspartei mit niemandem, die Union nur mit der FDP und die SPD nur mit den Grünen koalieren kann und will – wenn man die Aussagen ihrer Spitzenrepräsentanten ernst nimmt. Rot-Grün ist jedoch nach den letzten Meinungsumfragen absolut unrealistisch. Die SPD liegt nach Forsa-Angaben bei 26 Prozent, und die Grünen notieren bei elf Prozent. Das reicht auf keinen Fall zum Regieren.

Schwarz-Gelb hätte nach den jüngsten Umfragen trotz eines leichten Sinkflugs immer noch eine Mehrheit – wenigstens nach Mandaten im Bundestag. Die Konstellation Merkel mit dem FDP-Chef Guido Westerwelle ist auch die, der die längste Haltbarkeitsdauer bescheinigt wird. Beide Parteien sind sich in den Aussagen relativ ähnlich, Inkompatibilitäten sind selten. Merkel und Westerwelle: Das wäre eine „Ehe“, die vier Jahre halten könnte.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Wähler am 27. September diese Eheschließung auch per Kreuz in der Stimmkabine beurkundet. Die Union schwächelt. Die letzte Sat.1-Umfrage, die der CSU in Bayern „nur“ noch 45 bis 46 Prozent bescheinigt, zeigt, daß die konservativen Stammlande der Union und besonders der Seehofer-CSU ihre Treueide nicht mehr abnehmen. Es waren jedoch früher die süddeutschen Stimmen, die der Union bundesweit ihre Stärke garantierten. Diese Rechnung könnte am Sonntag nicht mehr funktionieren, und wie 2005 stünde eine verhältnismäßig starke FDP (an der aber bereits die Piratenpartei zu zehren beginnt) mit einer schwächelnden Union da, die nicht genügend Stimmen für die Kanzlerinwahl im Bundestag aufbieten kann.

Was dann? Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) glaubt, daß die FDP mit Rot-Grün zusammengeht, wenn Schwarz-Gelb ohne Mehrheit bleibt. „Und dann will ich mal die Zeit messen, die Guido Westerwelle braucht, um anzurufen und zu sagen: Das war so beschlossen, aber der Wähler hat eine andere Konstellation hergestellt, also laßt uns mal im Interesse Deutschlands an einen Tisch setzen.“

Nichts scheint mehr unmöglich. So hatte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine Neuauflage der Großen Koalition nicht ausgeschlossen. Dafür gibt es auch in der CDU genügend internen Rückhalt. Eine längere Dauer als ein oder eineinhalb Jahre wird einer neuen Großen Koalition in den Berliner Spekulationen aber nicht bescheinigt. Dann könnte die SPD Müntefering und Steinmeier entsorgen und mit dem Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit an der Spitze eine rot-rot-grüne Regierung bilden, wird gemunkelt.

Es ist ungewiß, wie die Wahlen ausgehen. Sicher ist nur eins: Die Wähler sollten die Versprechen der politischen Klasse nicht auf die Goldwaage legen, sondern wissen, daß die Haltbarkeit eines Joghurtbechers traditionell länger ist als die eines Wahlversprechens.

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