Vor einem Jahr machten sich Günther Beckstein und Erwin Huber noch Hoffnungen auf die Nachfolge Edmund Stoibers. Ihre Träume zerplatzten, als dieser die Flucht aus Berlin zurück ins vertraute München antrat. Der Unmut in der Partei war beträchtlich, viele schrieben den angeschlagenen CSU-Chef damals bereits ab. Nun aber hat sich Stoiber erst einmal wieder gefangen. Wahrscheinlich wird der heute 65jährige bei der Landtagswahl 2008 erneut antreten – und gewinnen. Bis er dann abtritt, werden seine Minister Beckstein und Huber, die heute 65 und 62 Jahre zählen, aus Altersgründen nicht mehr für die Nachfolge in Frage kommen. In die vordere Reihe drängt seit einiger Zeit Joachim Herrmann, der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, der am 21. September seinen 50. Geburtstag feierte. Immer häufiger fällt sein Name, wenn es um Planspiele für die Zeit nach Stoiber geht. Aus dem Schatten seines Förderers, der den jungen Prädikats-Juristen in den achtziger Jahren in die Staatskanzlei nach München holte, hat sich Herrmann erstmals im November 2005 gelöst. Damals kritisierte er Stoibers „Hopplahopp-Politik“ und bemängelte „einsame Entscheidungen, deren Hin und Her die Menschen nicht mehr nachvollziehen können“. Kurz darauf ließen die Abgeordneten ihren angestauten Frust am sonst nie kritisierten Stoiber aus. Für Herrmann bietet die ungeliebte Große Koalition in Berlin, in der die CSU bislang eine wenig rühmliche Nebenrolle spielt, die Möglichkeit, sein bis jetzt schwaches Profil zu schärfen. So griff er jüngst den von Stoiber mit ausgehandelten Gesundheitsfonds als „völlige Fehlkonstruktion“ an. Herrmann artikulierte damit den Ärger vieler in seiner Partei, die der Union in der Regierung zu häufiges Einknicken gegenüber den Sozialdemokraten vorwerfen – etwa beim Antidiskriminierungsgesetz. In den kommenden Jahren wird Herrmann noch oft Gelegenheit zur Klage haben, nun sei „die Schmerzgrenze erreicht“. Jede dieser Attacken hilft ihm, seine bislang geringe Bekanntheit im Freistaat und auch im Bund zu steigern. Wofür Joachim Herrmann inhaltlich steht, ist indes nicht klar. Als „Mann ohne Eigenschaften“ wurde der seit 1994 für den Wahlkreis Erlangen direkt in den Landtag gewählte Politiker bezeichnet. In nun zwei Jahren an der Spitze der Fraktion haben die Abgeordneten ihn als ruhigen Moderator schätzen gelernt, mit inhaltlichen Akzenten hat er sich indes wenig hervorgetan. Offensiv bekennt sich Herrmann, seit Studientagen Mitglied der katholischen CV-Verbindung Frankonia Czernowitz, zum Schutz christlicher Symbole: So reagierte er allergisch auf die satirisch-blasphemische Sendung „Popetown“. Wegen einer seiner Ansicht nach blasphemischen Zeitschriftenwerbung für die Sendung erstattete er Anzeige. Nach der Absetzung der Mozart-Opfer „Idomeneo“ kritisierte er die Berliner Inszenierung als Verhöhnung gegenüber vielen Gläubigen. Als Vater von drei Kindern liegt ihm das Wohl der traditionellen Familie am Herzen; das Ehegatten-Splitting hat er jüngst vehement verteidigt. Es blieb bislang aber bei punktuellen Vorstößen. Eine eigene Vision für ein konservatives und fortschrittliches Bayern im 21. Jahrhundert hat er noch nicht gefunden.