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„Nichts Unrechtes oder Verbotenes getan“

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Ich bin davon überzeugt, daß Putin Rußland auf einen demokratischen Weg führt“, verkündete Kanzler Gerhard Schröder einen Tag vor dem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin, bei dem ein Erdgasabkommen unterzeichnet wurde, im Sender n-tv. Jenseits der hohen Politik wurde nur einen Tag später ebenfalls in Berlin ein ganz anderes Bild von Putin gezeichnet. Schwerpunkt des diesjährigen fünften Internationalen Literaturfestivals war ein Symposium über „Das System Putin“, die Menschenrechtsverletzungen in Rußland und den Strafprozeß gegen den früheren Vorstandschef des Ölkonzerns Jukos, Michail Chodorkowskij. Auf dem völlig einseitig besetzen Podium saß neben zahlreichen liberalen russischen Oppositionellen auch dessen Strafverteidiger, der kanadische Anwalt Robert Amsterdam. Chodorkowskij, der sich Mitte der neunziger Jahre durch fragwürdige Umstände die Aktienmehrheit bei Jukos gesichert hatte, mußte sich nach seiner Festnahme im Oktober 2003 wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche vor Gericht verantworten (JF 46/03). Inzwischen ist er zu neun Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Das noch ausstehende Revisionsverfahren läßt, so sein Verteidiger, wenig hoffen. Die „Jagd“ auf den einst reichsten Mann Rußlands habe – nach Ansicht seiner Anhänger – erst begonnen, nachdem er seinen Konzern zu einem „Musterbeispiel an Transparenz“ umgestaltet und sich so gegen das „auf Korruption basierende System“ in Rußland gestellt hatte. Wegen seiner Unterstützung oppositioneller Kräfte – Chodorkowskij war Chef der Stiftung „Offenes Rußland“ – habe er sich den Groll des Kreml zugezogen. Das Vorgehen der russischen Finanzbehörden, so Amsterdam, sei der „massivste staatliche Diebstahl seit dem Zweiten Weltkrieg“. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung sei erst erhoben worden, nachdem alle anderen Möglichkeiten einer staatlichen Übernahme des Jukos-Konzerns gescheitert waren. Obwohl ein US-Investor bei der Zwangsversteigerung wegen Insolvenz aus „angeblicher Steuerschuld 25 Milliarden Dollar“ geboten hatte, ging der Zuschlag schließlich für neun Milliarden Dollar an einen „regierungsnahen“ Bieter. Allein die Behandlung des Angeklagten im Gerichtssaal habe Erinnerungen an „stalinistische Schauprozesse“ geweckt. „Herrschaftsstrukturen wie zu Zarenzeiten“ Die Anklage sei von der Staatsanwaltschaft in „krimineller Weise“ konstruiert worden. Sein Mandant konnte nur verurteilt werden, weil das ihm angelastete Verbrechen – das zur Tatzeit nicht strafbewehrt war – nachträglich durch eine Änderung im Steuerrecht kriminalisiert wurde, kritisierte Amsterdam. Die Prinzipien der Rechtssicherheit – nulla poena sine legem scripta – und des unbedingten Rückwirkungsverbotes von Gesetzen seien vorsätzlich umgangen worden. Chodorkowskij habe zur Tatzeit „nichts Unrechtes oder Verbotenes getan“, so sein Anwalt. Deshalb könne man einen Staat, der sich solcher Willkürmaßnamen bediene, nicht länger als Rechtsstaat begreifen. Unverständlich sei auch, daß Schröder seinen Duzfreund Putin vor der Weltöffentlichkeit in Schutz nehme. Rußland sei „alles andere als ein demokratischer Staat“. Vielmehr verfalle er wieder in alte „Herrschaftsstrukturen wie zu Zarenzeiten“. Eine Gewaltenteilung zwischen Legislative und Judikative sei in Rußland faktisch nicht vorhanden. Alle Macht konzentriere sich auf Putin und dessen „willige, korrupte Vasallen“. Es sei verwunderlich, wie die westliche Welt diesen „bürokratischen Judokämpfer“ als prowestlichen Reformer bewundere, der durch Verfolgung und Zensur Andersdenkender störrisch an seiner Macht festhalte. Widerspruch oder eine differenzierte Betrachtung Putins war auf der Veranstaltung nicht zu hören – man war quasi „unter sich“. Da er von russischen Gerichten weder Recht noch Gerechtigkeit erhoffe, habe er den Weg über die Öffentlichkeit gewählt. Auf seiner Reise durch Europa macht Chodorkowskijs Anwalt auf Foren wie in Berlin auf die dramatische Situation des „politischen Gefangenen“ aufmerksam und fordert Intellektuelle und Politiker auf, das Schicksal des einst erfolgreichsten Unternehmers des Landes nicht gleichgültig hinzunehmen. Westliche Demokratien müßten sich auch daran messen lassen, wie sie mit Menschenrechtsverletzungen in befreundeten Staaten umgehen. Einen Hoffnungsschimmer für „Mütterchen Rußland“ sehen Chodorkowskij und seine Unterstützer dennoch. Sobald der „autokratischen Regierung“ die Petrodollars ausgingen, die Massenverelendung nicht mehr durch „schmutziges Geld“ aufgehalten werden könne, dann sei der Weg für eine Demokratisierung Rußlands geebnet.

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