Nicht nur mit Spannung, sondern auch mit einigem Zittern sah die Partei der deutschen Volksgruppe in Dänemark den Regional- und Kommunalwahlen vom 15. November entgegen, war es doch die erste Wahl nach einer großen Verwaltungsgliederungsreform (JF 48/05). Die Deutschen leben traditionell im nördlichen Teil des historischen Herzogtums Schleswig, das bis 1920 zum Deutschen Reich gehörte. Dieses Nordschleswig bildete bisher den Kreis Südjütland (Sönderjylland), acht Prozent von dessen Bevölkerung zählen zur deutschen Minderheit. Den Kreis gibt es nun nicht mehr. An seine Stelle tritt die aus Süd-Jütland und Fünen gebildete Großregion Süddänemark (Syddanmark). Sie erstreckt sich von der deutsch-dänischen Grenze bis nördlich von Esbjerg. Der neue Verwaltungssitz ist Vejle. Zur Wahl zum Regionalparlament anzutreten, war sinnlos, weshalb die deutsche Schleswigsche Partei (SP/Slesvigsk Parti) auf die Kandidatur verzichtete. Aber auch die neuen Großkommunen im ehemaligen Nordschleswig boten Risiken. Aus den bisher 23 Kommunen waren vier Großkommunen geworden: Apenrade (Åbenrå/Aabenraa), Tondern (Tønder), Sonderburg (Sønderborg) und Hadersleben (Haderslev). Wie würde sich die Neugliederung auf das Wahlergebnis der Deutschen auswirken? Am Abend der Wahl konnten die deutschen Nordschleswiger aufatmen: In allen vier Großkommunen wird ihre Partei in den Parlamenten vertreten sein! Das erstaunlichste Ergebnis ist der in Sonderburg errungene Sitz im Kommunalparlament, gelang es doch der SP seit 1982 nicht mehr, hier einen ihrer Kandidaten durchzusetzen. Der Erfolg ist in erster Linie dem Spitzenkandidaten Stephan Kleinschmidt zu verdanken, einem 28jährigen Betriebswirt, bisher führend in der SP-Jugendorganisation, den Jungen Spitzen, die im Altkreis Nordschleswig zur stärksten Jugendgruppe aller Parteien überhaupt geworden war. 28jähriger Deutscher wird Vizebürgermeister Kleinschmidt, ein politisches Talent, der Typ des intelligenten, aufgeschlossenen, modernen, Optimismus und Erfolg ausstrahlenden jungen Mannes, gelang es, so viele Stimmen auf seine Person zu vereinen, daß er nicht nur einen Sitz im 31 Abgeordnete zählenden Kommunalparlament für die SP errang, sondern noch in der Wahlnacht zum Vizebürgermeister avancierte. Eine dänische Eigenart: Noch am Wahlabend versuchen die stärksten Parteien in Absprache mit den kleineren so viele Stimmen auf sich zu vereinen, daß sie den Bürgermeister stellen können. Die SP ging diesmal nicht zusammen mit den Mitte-Rechts-Parteien, sondern zusammen mit den Sozialdemokraten, zumal deren Bürgermeisterkandidat Jan Prokopek Jensen stets Verständnis für die Bitten und Sorgen der deutschen Volksgruppe hatte. Das veranlaßte den bisherigen rechtsliberalen Bürgermeister von Sonderburg, den 75jährigen A. P. Hansen (Venstre), zu dem bissigen Kommentar, nun sei die SP „zu einer Sozialistischen Partei geworden“. Ein Deutscher Vizebürgermeister von Sonderburg, und nicht nur das: Kleinschmidt wird auch Vorsitzender des Kulturausschusses und konnte positive Ergebnisse für die drei deutschen Schulen in der Großkommune herausholen. In Apenrade, bisher einer der Schwerpunkte der deutschen Minderheit, verlor die SP einige wenige Stimmen, konnte aber mit zwei Abgeordneten ins Rathaus einziehen. In Tondern blieb ihr Wahlergebnis hinter den Erwartungen zurück, immerhin stellt die SP einen Abgeordneten. Wie auch in Hadersleben, wenn auch hier einen Beigeordneten mit allen Rechten eines Mandats, jedoch ohne Stimmrecht – eine Sonderregelung für die deutsche Minderheit für den Fall, daß sie nicht so viele Stimmen auf sich vereinigt, wie für ein Mandat notwendig wäre, wohl aber mehr als 25 Prozent der Stimmen des „billigsten“ Mandates. Hier erreichte sie sogar fast die Hälfte. So ist das politische Gewicht der Volksgruppe gewachsen, wie alle anderen dänischen Parteien auch neidlos bestätigen. Der dänischen Mehrheitsbevölkerung fiel auf, wie viele junge Frauen und Männer der deutschen Volksgruppe sich aktiv am Wahlkampf beteiligten. Unverkrampft und selbstbewußt vertraten sie ihre deutsche Identität, ohne auch nur die geringste Aggressivität gegen das Dänische zu entwickeln. Man kann mit Befriedigung feststellen, daß jetzt wirklich die Normalität ins deutsch-dänischen Grenzland eingezogen ist. Die Mitglieder der deutschen Volksgruppe sind gleichberechtigt, und sie finden dafür eine starke Unterstützung in den Minderheitenregelungen des Europarates. Sorge um die Unterstützung aus Deutschland Mit einiger Sorge fragt man sich in der deutschen Volksgruppe, ob die neue schwarz-rote Bundesregierung angesichts der Finanzknappheit die Zuschüsse für die deutsche Minderheit unangetastet läßt. Die Deutschen in Dänemark haben in der Vergangenheit gezeigt, wie sie mit den Pfunden in Gestalt der finanziellen Zuschüsse aus der Bundesrepublik gewuchert haben; ihre Existenz hat sich bei den nördlichen Nachbarn für Deutschland segenreich ausgewirkt. Zwar gibt es von der Bundesregierung eine kurzfristige Garantie für die Beibehaltung der Zuschüsse, doch ist unsicher, wie die Zukunft aussieht. Doch wird man bei der Großen Koalition in Berlin das notwendige Verständnis für die kulturelle Arbeit der deutschen Minderheit in Süddänemark haben?