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Der türkische Faktor

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Türkischstämmige Wähler haben offensichtlich bei der Bundestagwahl am Sonntag mehrheitlich für linke Parteien gestimmt. Eine Umfrage der türkischen Zeitung Hürriyet kurz vor der Wahl ergab, daß von den rund 600.000 wahlberechtigten türkischstämmigen Wählern 77 Prozent für die SPD stimmen wollten. An zweiter Stelle folgten die Grünen mit 9,2 Prozent. Während die Linkspartei auf 7,8 Prozent kam, wollten sich nur 4,8 Prozent für die CDU/CSU entscheiden und sogar nur 1,2 Prozent für die FDP. Nach einer Untersuchung des Mannheimer Politikwissenschaftlers Andreas Wüst hängt diese hohe Zustimmungsquote für die SPD weniger mit der Unterstützung des EU-Beitritts der Türkei durch die Sozialdemokraten zusammen, sondern vielmehr damit, daß die linken Parteien sich „eher um die Gruppe der Ausländer kümmern und eine etwas freundlichere Zuzugs- und Integrationspolitik verfolgen“. Positiv wirke sich für die SPD auch aus, daß viele türkischstämmige Deutsche aus dem Arbeitermilieu kommen. Wahlentscheidend konnten die Türken mit deutschem Paß nach Ansicht Wüsts vor allem in Großstädten und Ballungszentren sein, wo sie einen großen Teil der Wähler stellten. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte dieses Wahlpotential erkannt und deshalb demonstrativ fünf Tage vor der Wahl den Verlag der türkischsprachigen Zeitung Hürriyet im hessischen Mörfelden-Walldorf besucht. Bei seinem Besuch in der Europa-Zentrale der Dogan Media Group, die neben Hürriyet auch die Zeitung Milliyet verlegt, ließ Schröder sich demonstrativ und vor allem plakativ vor einer riesigen türkischen Fahne fotografieren. Verlagschef Aydin Dogan lobte den Sozialdemokraten überschwenglich: „Wir lieben Sie nicht nur als Kanzler, sondern auch als verständnisvollen Freund der Türken. Ihr Einsatz für unser Land ist bemerkenswert.“ Zwar hat sich die türkische Regierung offiziell mit einer Wahlempfehlung zurückgehalten, ließ aber an ihrer Sympathie keinen Zweifel. So sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wenige Tage vor der Bundestagswahl: „Wir werden nicht vergessen, was Gerhard Schröder für uns in Brüssel getan hat.“ Hingegen mache seine Regierung „die Haltung der CDU traurig“. Den Wahlausgang bewertete Erdogan dann als „erfreuliches Ergebnis“ für die Türkei und ihren Wunsch, der Europäischen Union beizutreten. Die Union hingegen hat nach Ansicht des türkischen Regierungschefs eine „negative Propaganda“ zu Lasten der Türken und der Türkei gemacht. Fünf türkischstämmige Deutsche im Bundestag Türken, die trotz ihrer deutschen Staatsbürgerschaft nach wie vor auch einen türkischen Paß besitzen, hätten damit eigentlich gar nicht an der Bundestagswahl teilnehmen dürfen (JF 24/05). Obwohl die Innenministerien der Länder in den vergangenen Monaten stark nach Deutsch-Türken mit einem Doppelpaß suchten, wurden sie nur bei rund 20.500 Personen fündig. Gemäß einer Mitteilung der türkischen Bundesregierung hatten deutschlandweit etwa 50.000 eingebürgerte Türken nach dem 31. Dezember 1999 wieder die türkische Staatsangehörigkeit angenommen. Nach dem 2000 verabschiedeten neuen deutschen Staatsangehörigkeitsrecht hätten sie aber mit einem Doppelpaß nicht wählen dürfen. Die türkische Regierung lehnte eine Übermittlung der Namen derjenigen ab, die wieder einen türkischen Paß beantragten. Insgesamt wurden fünf türkischstämmige Deutsche in den 16. Bundestag gewählt. Sie gehören alle Parteien des linken Spektrums an. So wurden für die Linkspartei der Gewerkschaftssekretär Hüseyin-Kenan Aydin sowie der Professor für Politik und Migrationspolitik, Hakki Keskin, und das Gründungsmitglied vom „Bund der Migrantinnen“ Sevim Dagdelen gewählt. Für Bündnis 90/Die Grünen zieht Ekin Deligöz in den Bundestag, für die SPD Lale Akgün. Den Fraktionen der CDU, CSU und FDP gehören keine türkischstämmigen Deutschen an.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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