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Trumpf im nächsten Wahlkampf

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Ein Riß geht durch die SPD. Der Grund heißt Wehrpflicht. Wären die Sozialdemokraten in der Opposition, wäre dieser Streit nicht ganz so wichtig. Aber Franz Münteferings Partei ist in Berlin an der Macht, und der kleine Koalitionspartner Grüne möchte die Wehrpflicht am liebsten morgen an den Nagel hängen. Da ein Regierungswechsel frühestens 2006 möglich wäre, steht fest: Kippt die SPD um, kippt die Wehrpflicht. Und daß eine Merkel-Regierung den Dienst wieder einführen würde, erscheint ziemlich ausgeschlossen. Am vergangenen Samstag trafen sich einige hundert SPD-Mitglieder, um über das Thema zu diskutieren. Was zunächst als Sonderparteitag erwogen und dann als große Fachtagung in einem Berliner Kongreßzentrum geplant worden war, endete als eher bescheidene Parteiveranstaltung bei Lasagne und Erbseneintopf in der SPD-Zentrale. Die inhaltlichen Ergebnisse waren ebenso nichtssagend. Was bei diesem Kongreß wirklich herauskam, brachte der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler unfreiwillig auf den Punkt. Er verlangte zunächst eine professionelle Bundeswehr mit großen Lern- und Anpassungsfähigkeiten sowie maximaler Kooperationsbereitschaft. Und faßte dann seine Rede mit dem Satz zusammen: „Die Bundeswehr kann diese Aufgaben aber sowohl mit Wehrpflicht als auch ohne Wehrpflicht erfüllen.“ Es muß also um mehr gehen als die wiederholten Versuche eines Verteidigungsministers Peter Struck, die sicherheitspolitische Legitimation der Wehrpflicht zu begründen. Man muß sich auf die Ursprünge der Nationalstaaten besinnen. Soldaten wurden in früheren Jahrhunderten entweder mit viel Geld oder Aussicht auf Plünderungen angeworben. Klappte dies nicht, wurden Bauern auch mit brutaler Gewalt von den Feldern geholt, um die Regimenter der Monarchen aufzufüllen. Erst mit dem Frankreich der Revolution und später dem preußischen Wehrsystem änderten sich die Verhältnisse: Jetzt galt es als (wenn auch mit gesetzlichem Zwang unterlegte) Ehrensache, dem Vaterland zu dienen, indem man zur Verteidigung desselben beitrug. Diesem Gedanken folgte die Generation nach den Vätern des Grundgesetzes, als sie die westdeutsche Verfassung ergänzten und den Wehrdienst einführten. So ist es im Prinzip bis heute geblieben, auch wenn die bundesrepublikanischen Politiker ihre Armee mit dem Prinzip der inneren Führung ausstatteten. Auffälligster Begriff in diesem Zusammenhang ist der „Staatsbürger in Uniform“. Man kann dies als Glücksfall bezeichnen. Mit diesen Prinzipien gelang es, die Bundeswehr fest in der Gesellschaft zu verankern. Doch die Welt bleibt nicht stehen. Seit mehreren Jahren stehen deutsche Soldaten, unter ihnen viele Wehrdienstleistende, in den entferntesten Ecken der Welt. Man muß genau hinschauen, wer deutsche Soldaten in zum Teil sinnlos erscheinende Einsätze wie in Kundus oder Feisabad treibt: Es sind der grüne Außenminister Joseph Fischer und exakt die Teile der SPD, die die Wehrpflicht am liebsten abschaffen würden. Dazu kann auch getrost der Kanzler gezählt werden, dem allenfalls noch Floskeln für die Bundeswehr über die Lippen kommen. Klar ist, daß diese Kräfte mit einer durch Wegfall der Wehrpflicht entwurzelten Armee ein leichteres Spiel bei der internationalen Reputation dienenden Auslandseinsätzen hätten, als das heute der Fall ist. Die französische Fremdenlegion, sicherlich ein extremes Beispiel für ein Berufsheer, läßt sich in jeden denkbaren Einsatz schicken. Bei der Bundeswehr muß wenigstens an die Risiken gedacht und eine Aussprache im Parlament geführt werden. Und wenn etwas passiert, ist es ziemlich wahrscheinlich, daß die verantwortlichen Politiker dann den Hut nehmen dürfen. Die Tatsache, daß man eine Armee mit Wehrpflichtigen nicht ganz so leicht in außenpolitische Abenteuer schicken kann wie einen Haufen bezahlter Fremdenlegionäre, spielte auf dem SPD-Kongreß nur eine untergeordnete Rolle. Lieber war es den Diskutanten mit Struck an der Spitze, ihre bekannten Argumente aus dem Köcher zu holen. Strucks Rede war wenig überzeugend: Sätze wie „Die Wehrpflicht ist gleichzeitig Garant für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr heute und morgen“ klangen hohl. Die Argumente der Gegner überzeugten ebensowenig. Allerdings ist das Gerechtigkeitsargument nicht von der Hand zu weisen. Wenn nicht mehr als 13 Prozent der Männer eines Jahrgangs eingezogen werden, dürfte selbst einfältigen Gemütern klarwerden, daß dieser Dienst nicht mehr lange zu halten sein wird. Nun wird man Struck den Vorwurf nicht ersparen können, daß er trotz seiner Bekenntnisse zum Totengräber der Wehrpflicht geworden ist. Wer die Zahl der Wehrdienstleistenden so stark reduziert, daß nur noch ein oder zwei junge Männer aus einer Schulklasse zur Bundeswehr gehen, nimmt die Abschaffung des Wehrdienstes billigend in Kauf. Es wäre zum Beispiel ein leichtes gewesen, ganz andere Wehrpflichtformen auszuprobieren, etwa einen dreimonatigen Pflichtdienst mit anschließender Möglichkeit der Weiterverpflichtung oder späteren Übungen. Statt dessen verlegte sich Struck auf Drohungen: „Wir müßten Auslandseinsätze zurücknehmen oder ganz beenden.“ Der Verdacht drängt sich auf, daß es beim Wehrpflichtkongreß der SPD gar nicht um das Thema ging, wie dem Staat am besten gedient werden kann. In der heutigen Gesellschaft, so klagte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan kürzlich, kämen junge Menschen zur Bundeswehr, denen Werte wie Gehorsam oder Treue fremd wären. Statt dessen forderten sie freie Entfaltung der Persönlichkeit. Daraus könnte aus Sicht der SPD ein Wahlkampfschlager werden. Wer die letzten Pflichten abräumt, hat die Stimmen vieler Betroffener sicher. Daher dürfte es kein Zufall sein, daß die SPD erst Ende 2005 prüfen will, ob sie mit der Abschaffung der Wehrpflicht in die Auseinandersetzung mit der Opposition zieht.

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