Wenn die Presse eines Landes irgendwo in der Welt die Bezeich-nung „vierte Macht“ im Staat oder „Wachhund“ verdient, dann ist es mit Sicherheit die israelische. Eine härtere, rücksichtslosere, draufgängerische Berichterstattung ist – vor allem im momentanen Vergleich zu Deutschland – kaum vorstellbar. Das gilt für die großen Tageszeitungen wie die linksliberale Haaretz, die auflagenstärkste Jediot Aharonot oder die angesehene Maariv gleichermaßen wie für die elektronischen Medien. Selbst die jüngst verbotene rechtsnationalen Rundfunkstation Arutz 7 kann immerhin noch im Internet problemlos empfangen werden. Auch Berührungsängste zwischen „Rechts“ und „Links“ gibt es nicht. Außer im unmittelbaren sicherheitspolitischen Bereich existiert in Israel faktisch keine Möglichkeit der Geheimhaltung, nicht nur weil die Israelis ein recht „redseliges“ Volk sind, sondern weil der „investigative“ Journalismus nirgendwo in der Welt intensiver praktiziert wird als in Israel. Das „Durchsickern“ von Information in die Medien ist alltäglich. Und keine israelische Regierung hat das vertrauliche Briefing von Journalisten zwecks „Durchsickernlassen“ so vollkommen instrumentalisiert wie die derzeitige konservativ-liberale Regierung von Ariel Scharon. Das hat in jüngster Zeit sogar zu diplomatischen Protesten und zu politischen Verwicklungen geführt – wie etwa die vorzeitige Bekanntgabe israelisch-syrischer Geheimgespräche. Das politisch gezielte „Zuflüstern“ vertraulicher Informationen erfolgt gleich aus drei – geschickt koordinierten – Quellen: Im Amt des Ministerpräsidenten ist dessen Büroleiter, Dov Weisglass, derjenige, der solche „Operationen“ durchführt. Informationen, die er um 18 Uhr gewissen Journalisten zusteckt, sind um 20 Uhr oder 21 Uhr mit unverändertem Wortlaut in den Fernsehnachrichten, am nächsten Morgen in den Tageszeitungen nachzulesen. Im Außenministerium sind Minister Silvan Schalom selbst und sein politischer Berater Aron Prosser „am Werke“. In Jerusalem wird behauptet, es sei das wirkungsvollste und raffinierteste leakage system, das im politischen System des Landes je funktioniert hat. Im Verteidigungsministerium entwickelt der Sprecher von Minister Schaul Mofaz, Eli Kamir, ähnliche Aktivitäten. Aus offenkundigen Gründen – Israel ist praktisch seit der Staatsgründung im Kriegszustand oder unmittelbar von Krieg bedroht – gibt es allerdings eine rigorose militärische Zensur. Daher müssen die Medien bei sicherheitspolitisch relevanten Informationen Umwege einschlagen. Denn solche Informationen dürfen zwar nicht berichtet, aber sie dürfen zitiert werden, wenn sie zuvor in einem ausländischen Medium verwertet wurden. Daher ist es alltägliche Praxis, in Israel stationierten ausländischen Kollegen die Ergebnisse der eigenen Recherchen zuerst zuzuspielen und dann dieselbe Information mit 24stündiger Verspätung im eigenen Blatt oder Sender zu zitieren. Nicht selten wird dieser „Liebesdienst“ von dem in London erscheinenden, international hochgeschätzten Informationsbrief Foreign Report erbracht. Eine besondere Rolle spielt dabei auch die traditionsreiche englischsprachige, national-konservativ ausgerichtete Tageszeitung Jerusalem Post. Nicht wenige Medienwissenschaftler rechnen sie zu den wichtigsten und einflußreichsten Presseorganen der westlichen Welt.