Immer wieder betont Bundeskanzler Gerhard Schröder gegenüber Polen und Tschechien, daß die Bundesregierung keine Entschädigungsklagen von deutschen Vertriebenen vor europäischen oder nationalen Gerichten unterstützt. Für Entschädigungsforderungen sei weder „politisch noch rechtlich Raum“. Anläßlich seines Besuchs in Prag erklärte der Bundeskanzler am 4. Oktober, die individuellen Entschädigungsansprüche aus Deutschland seien „juristisch unbelegt“. Mit dem polnischen Ministerpräsidenten Marek Belka vereinbarte Schröder sogar Ende September, ein Gremium von Juristen zu schaffen, das sich auf die Abwehr individueller deutscher Entschädigungsklagen einrichten solle. Mit diesen wenig aussagekräftigen politischen Bekundungen versucht Schröder nur davon abzulenken, daß es alleine an der Bundesregierung liegt, auf die Entschädigungsforderungen der Alteigentümer gegen den polnischen oder tschechischen Staat zu verzichten. Wegen der Mediatisierung des Bürgers im Völkerrecht können die völkerrechtlichen Entschädigungsansprüche von den betroffenen Personen nicht im eigenen Namen geltend gemacht werden, sondern die Bundesrepublik Deutschland als Heimatstaat muß sie auf zwischenstaatlicher Ebene im Wege des diplomatischen Schutzes einfordern. Im Falle der völkerrechtswidrigen Schädigung einer Privatperson steht der Wiedergutmachungsanspruch nämlich nur ihrem Heimatstaat zu, da durch eine solche Handlung oder Unterlassung er selbst in der Person seiner Angehörigen verletzt wurde. Hingegen kann die geschädigte Person nur dann selbst einen Anspruch auf Wiedergutmachung stellen, wenn ihr durch einen Vertrag zwischen ihrem Heimatstaat und dem für den Unrechtstatbestand verantwortlichen Staat eine solche Befugnis eingeräumt wurde. Einen solchen Vertrag stellt die Europäische Menschenrechtskonvention dar, der die Bundesrepublik, Polen und Tschechien beigetreten sind. Deren Gültigkeit für Fälle, die wie hier vor Inkrafttreten der Konvention liegen, ist aber umstritten. Sonderopfer muß entschädigt werden Aus den völkerrechtswidrigen Enteignungen der deutschen Eigentümer in den Vertreibungsgebieten folgt also in erster Linie ein Wiedergutmachungsanspruch der Bundesrepublik gegen Polen und Tschechien. Genau das meint der Bundeskanzler, wenn er sagt, individuelle Forderungen seien juristisch unbelegt. Auf diese Wiedergutmachungsansprüche kann nur die Bundesrepublik gegenüber Polen und Tschechien verzichten. Bei einem völkerrechtlichen Verzicht werden durch eine einseitige Willenserklärung bestehende Rechte endgültig aufgegeben, oder es wird das Einverständnis mit einer von einem fremden Staat vorgenommenen Entziehung eigener Rechte erklärt. Kraft ihrer Personalhoheit kann die Bundesrepublik Deutschland auch auf Rechte ihrer Staatsangehörigen verzichten, Die in Artikel 14 Grundgesetz normierte Eigentumsgarantie verbietet allerdings eine solche deutsche Verzichtserklärung innerstaatlich. Würde die Bundesrepublik dennoch einen solchen Verzicht gegenüber Polen und Tschechien aussprechen, dann müßte sie das von den betroffenen Alteigentümern zugunsten der Allgemeinheit erbrachte Sonderopfer entschädigen. Die sich aus dieser außenpolitischen Entscheidung ergebende Last träfe nur den Personenkreis der Vertriebenen und würde ein besonderes, entschädigungspflichtiges Opfer der Betroffenen zugunsten der Allgemeinheit darstellen. In einem solchen Fall wäre die Bundesrepublik aus dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet, einen innerstaatlichen Ausgleich der Belastung gesetzlich zu regeln. Da eine ausländische Hoheitsmacht die Vermögensschäden verursacht hat, ist die Bundesrepublik nicht verpflichtet, die Schäden in voller Höhe zu ersetzen. Die soziale Gerechtigkeit erfordert aber einen angemessenen innerstaatlichen Sozialausgleich.