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Mitglieder treten scharenweise aus

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Die Trauerfeier für seinen Weggefährten nutzte Wolfgang Kubicki zur Abrechnung mit seinen Parteifreunden. Jürgen Möllemann habe mehr „für das Gemeinwesen getan als jene, die jetzt seine persönliche Integrität in Frage zu stellen“ versuchten, sagte der FDP-Vorsitzende aus Schleswig-Holstein. Und trotz Möllemanns Exkommunikation aus der FDP urteilte Kubicki unter Tränen: „Er bleibt ein großer Liberaler.“ Etwa 2.000 Gäste nahmen vergangenen Freitag Abschied von dem passionierten Fallschirmspringer. Überraschend gehörte auch Hans-Dietrich Genscher zu den Trauergästen. Neben ihm war es nur wenigen früheren Vertrauten erlaubt, an der Beerdigung im kleinen Kreis teilzunehmen. Möllemanns Witwe mußte von ihren Töchtern gestützt werden. Die Hinterbliebenen waren sichtlich gezeichnet von dem, was hinter ihnen lag. Auch der Präsident des Fußballbundesligisten FC Schalke 04, Gerd Rehberg, übte Kritik am Umgang mit seinem verstorbenen Vereinskollegen. Die Bestürzung seiner Anhänger wirkte so echt, wie das Verhalten führender FDP-Vertreter unaufrichtig erschien. Die FDP kommt nach dem Ableben Möllemanns noch weniger zur Ruhe als vorher. Kubicki erneuerte am Wochenende seine Kritik an der „Hetz- und Treibjagd“, die die FDP-Spitze inszeniert habe. Neben Westerwelle attackierte er den amtierenden Schatzmeister der Partei, Günter Rexrodt. Besonders seine Rolle sei sehr kritisch, „weil er sich als Strafverfolger aufgespielt und mit seinem martialischen Auftreten die Stimmung gegen Jürgen zusätzlich angeheizt“ habe. Unverhältnismäßig sei die Partei vorgegangen. Schließlich habe sie ihn nach der verlorenen Bundestagswahl zum Sündenbock gemacht, sagte Wolfgang Kubicki sinngemäß weiter. „Es gab keine Hatz auf Jürgen Möllemann“ Die so Angegriffenen erwehren sich der stärker werdenden Kritik an den Umgangsformen in der Rechtsstaatspartei. Guido Westerwelle bezeichnete sein Verhalten als „alternativlos“. Angesichts der Schwere der Fälle habe man nach der Wahl die Vorwürfe nicht unter den Tisch kehren können. Er habe solange zu Möllemann gestanden, wie dies eben möglich gewesen sei. Daß er Möllemann schon von der Abschlußkundgebung ausgeschlossen hatte, ist ihm wohl entfallen. Zuvor hatte es zwischen den beiden schon wegen des Abgeordneten Jamal Karsli heftige Auseinandersetzungen gegeben. Westerwelle hat sich dabei nicht gerade schützend vor seinen Parteifreund gestellt. Auch Rexrodt stellte sich seinen Kritikern. „Daß wir eine Hatz in Richtung Jürgen Möllemann gemacht hätten, um ihn persönlich zu vernichten, um ihn rauszudrängen, das stimmt nicht“, sagte Rexrodt. Vielmehr habe er die Partei schützen wollen. Die FDP-Spitze hätte sich sonst strafbar gemacht. Die FDP hatte eine Summe in Höhe der Privatspende Möllemanns der Bundestagsverwaltung zukommen lassen, weil die Herkunft zeitweise nicht geklärt war. Inzwischen ist sie bemüht, das Geld zurückzubekommen, weil sich das inzwischen aufgeklärt hat. Die angeblichen schweren Gesetzesverstöße sind das einzige, was Möllemanns Gegner immer wieder als Erklärungsansatz anführen können. Schützenhilfe lieferte diese Woche der Spiegel, der Äußerungen aus den Reihen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft zitiert. Danach habe Möllemann mit einer Haftstrafe auf Bewährung, zumindest aber mit einem Strafbefehl über ein Jahr Gefängnis rechnen müssen. Außerdem hätten ihm im Falle der Steuerhinterziehung mehr als eine halbe Million Euro Strafe und weitere Steuernachzahlungen gedroht. Mit diesen Spekulationen aus Ermittlungskreisen verhält es sich wie mit so vielen Details in der Affäre um Jürgen Möllemann. Unkommentiert übernehmen Nachrichtenorgane diese Einschätzung des Staatsanwalts, als handele es sich bei der Aussage eines Staatsanwalts bereits um den Urteilsspruch eines Richters. Tatsache ist, daß für die meisten der erhobenen Vorwürfe jegliche Beweise fehlen. Und ein anderer Staatsanwalt erklärte sogar, für die meisten möglichen Straftaten gäbe es nicht einmal einen Anfangsverdacht. Je reißerischer jedoch über Möllemanns Vermögensverhältnisse berichtet wird, um so mehr verdichtet sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, er habe in dunklen Machenschaften gesteckt. Welche Aussagekraft hat eine Überschrift à la „Möllemann hatte mehrere Millionen auf ausländischen Konten“ wirklich? Keine. Auslandskonten haben Michael Schumacher und Boris Becker ebenso wie wohlhabende Politiker. Der einzige greifbare Vorwurf scheint der der Steuerhinterziehung zu sein, was Möllemanns Ansehen sicher geschmälert hätte. Noch undurchsichtiger als die vermeintlichen Finanzgebaren des Ex-Vizevorsitzenden der FDP sind die Umstände seines Todes. Noch immer schließt die zuständige Staatsanwaltschaft Essen unter Wolfgang Reinicke auch Mord und Unfall nicht aus, wenngleich die Selbstmordthese den meisten als die wahrscheinlichste Variante gilt. Bürgerrechtler Thietz vermutet politischen Mord Ein Springer-Kollege Möllemanns hat in einem Internetforum detailliert beschrieben, wie eine Manipulation eines Fallschirms aussehen könnte. Binnen acht, neun Minuten ließe sich der oft unbewacht herumstehende Fallschirm außer Kraft setzen, berichtet der Fallschirmspringer. Das Cypres-Sicherheitssystem für den Ersatzschirm ließe sich so zerstören, daß es bei einer letzten Kontrolle funktionstüchtig erscheinen würde. Den Hauptschirm abzuwerfen, wenn es mit ihm Probleme gäbe, sei ganz normal, berichtet der Experte weiter. Möllemann hatte ja vor einigen Monaten schon einmal seinen Ersatzfallschirm verwenden müssen. Die Tatsache, daß Möllemann seine Brille vom Gesicht genommen habe, wird als neues Indiz für seinen Selbstmord angeführt. Leider kann auch der in den letzten Tagen aufgetauchte Videofilm nicht der Aufklärung dienen, da Möllemann viel zu weit vom Filmer entfernt gewesen sein soll. Viel interessanter ist dagegen die Frage, warum die Existenz dieses Videomitschnitts erst eine gute Woche nach seinem Tod bekannt wird. Einige Zeugen wollen gesehen haben, daß Möllemann den Cypres-Automaten, der nach dem Aufprall vermutlich nicht mehr in einwandfreiem Zustand ist, nicht eingeschaltet hat. Aber daß er ihn deaktiviert habe, hat scheinbar auch niemand gesehen. Dafür sagte einer derjenigen, die am 5. Juni mit ihm sprangen, er habe ihn gebeten, sein Buch zu signieren. Möllemanns Antwort sei gewesen: „Klar, machen wir unten.“ Der Bürgerrechtler Hans-Peter Thietz (FDP) will deswegen auch „unübersehbare Anzeichen auf politischen Mord“ ausgemacht haben. In einer Presseerklärung rief der Gründer der DDR-FDP die gesamte Vorgeschichte des Absturzes in Erinnerung: Während der Flugblattaffäre erlitt Möllemanns Tochter bei einem mysteriösen Autounfall schwere Verletzungen, als sie durch die Luft geschleudert wurde. Am 18. August vergangenen Jahres mußte Möllemann mit dem Reserveschirm notlanden, weil sein Hauptschirm wegen eines Materialfehlers gerissen war. Für den ehemaligen Volkskammer- und Europaparlamentarier Thietz gibt es keinen Zweifel an Möllemanns Todesursache. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT erklärte er, daß es sich „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ um Mord handele. Mit ihren schweren Vorwürfen gegen führende FDP-Vertreter versuchen weite Teile der Medien aber auch, von ihrer eigenen Mitschuld an einem möglichen Selbstmord abzulenken. Das ARD-Panorama hatte die FDP immer wieder gegen ihren Frontmann aufstacheln wollen. Vergangene Woche versuchte das Fernsehmagazin Westerwelle den Schwarzen Peter zuzuschieben, indem es den menschlichen Umgang bei den Liberalen anprangerte. Ähnlich war der Tenor bei N24. Möllemanns Traum läßt sich nicht mehr realisieren Die FDP wird diese Krise sicher überstehen. Vorläufig hat sie sich jedoch einige langjährige Anhänger zu Feinden gemacht. In Nordrhein-Westfalen treten nach Aussage des ehemaligen Geschäftsführers, Hans-Joachim Kuhl, die Mitglieder scharenweise aus. In Baden-Württemberg verließ der Ulmer Nationalliberale Stefan Havlik die Partei. Möllemanns Traum von einer neuen Partei „für das ganze Volk“ wird sich nun nicht mehr realisieren lassen. Wie weit die Vorbereitungen vorangeschritten waren, läßt sich nicht zweifelsfrei klären. Zwar behaupten einige aus dem Möllemann-Umkreis, die Gründung einer neuen Partei habe unmittelbar bevorgestanden. Wolfgang Kubicki dagegen erklärt, Möllemann habe lediglich einen letzten persönlichen Coup leisten wollen. Er habe mit Teilen der zerstrittenen Thüringer Freidemokraten einen einzigen erfolgreichen Landtagswahlkampf bestreiten wollen. Nicht nur dieses Erfolgserlebnis war ihm nicht mehr vergönnt. Er durfte auch den ebenfalls verheerenden Absturz seines früheren Kontrahenten Michel Friedman nicht mehr miterleben. Fotos: Beisetzung Möllemanns: Eine Frau legt am 13. Juni vor dem geschmückten Sarg des früheren FDP-Politikers Jürgen W. Möllemann in der Kapelle des Zentralfriedhofs von Münster Blumen nieder. Den Sarg säumen Trauergebinde von Bundesregierung und Bundespräsident sowie ein Porträt des im Alter von 57 Jahren bei einem Fallschirmabsturz Verstorbenen. Die anschließende Trauerfeier fand im engsten Familien- und Freundeskreis statt.

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