Maria Bellano (Name von der Redaktion geändert) arbeitet bei der Bundesanstalt für Arbeit. Für Florian Gerster (SPD) hat sie nicht viel übrig. Der gilt als Sonderling. In den Fahrzeugen des BA-eigenen Fuhrparks habe er die Fußmatten entfernen lassen. Und Fahrstuhl fahre er immer nur allein. Jedoch berichtet die 50jährige Dinge aus der Bundesanstalt, die vordergründig die Position ihres Chefs stärken. Intern werde bei der Bundesanstalt „kaum bis wenig“ kommuniziert. Sie habe neue Fakten über den Virtuellen Arbeitsmarkt und die Umgestaltung der Arbeitsämter immer erst aus den Medien erfahren. Gleichzeitig verfahren die Arbeitsämter so, wie es Florian Gerster immer kritisiert. Sie schulen den „50jährigen Gerüstbauer aufwendig zum Webdesigner“ um. Sinnlos werde teilweise das Geld der zwangsweise Versicherten in Umschulungen von Personen investiert, das an anderer Stelle fehle. 1,3 Millionen Euro wollte die BA der Firma WMP aus Beitragsgeldern dafür bezahlen, daß deren Manager Bernd Schiphorst ein bis zwei Tage in der Woche seine Beratertätigkeit durchführe. Das wäre ein Tageslohn von etwa 7.700, da sich der Betrag auf dieses und das kommende Jahr bezieht. Schiphorst gehört übrigens zu ein und derselben Lobbygruppe im Internet ( www.media.net ) wie der Chef der bekannten Werbeagentur Scholz & Friends, die den millionenschweren Auftrag der Arbeitsämter für die anstehende Werbekampagne bekommen. Weil es sich um Beitragsgelder handelt, konnte Gerster frei darüber verfügen – ohne Rücksprache mit dem Wirtschaftsministerium. Jedoch hätte er einen Auftrag in einer Größenordnung von mehr als 130.000 Euro ausschreiben lassen müssen. Diese Verfehlung blieb ungeahndet. Wer sich dahinter verbirgt, muß nicht offengelegt werden War die Entscheidung, die Beratergesellschaft WMP Eurocom mit der Öffentlichkeitsarbeit der BA zu betrauen, nun organisatorisch gerechtfertigt? Dazu muß WMP selbst unter die Lupe genommen werden. Das Unternehmen ist symptomatisch für das, was sich als „Kartell der Abkassierer“ titulieren läßt. WMP steht für „Wirtschaft, Medien und Politik“. Der Unternehmensgegenstand ist im Gesellschaftsvertrag angegeben als „Beratung von Unternehmen und Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen in Fragen von Wirtschaft, Medien und Politik.“ Hinter dieser harmlos klingenden Beschreibung verbirgt sich knallharte Lobbytätigkeit zugunsten von Firmen oder Staaten. Gleichzeitig dient das Unternehmen im Falle Günter Rexrodt (FDP) der Verschleierung eben dieser Lobbytätigkeit, die für einen führenden Repräsentanten einer politischen Partei, einen Abgeordneten zumal, ein Glaubwürdigkeitsdefizit hervorruft. Rexrodt zum Beispiel arbeitet jetzt nicht mehr für Vattenfall, BMW, E.on und BP, sondern nur noch für WMP. Wer sich hinter WMP verbirgt, das muß er nicht veröffentlichen. Um so mehr verwundert es, wie freizügig WMP mit Informationen umgeht. Einmal gab es schon einen Konflikt mit den Richtlinien des Bundestages: So hat Günter Rexrodt den Verweis auf seine Abgeordnetentätigkeit von der Internetseite von WMP entfernt. Wirtschaftlichen Profit darf niemand aus seiner Abgeordnetentätigkeit ziehen. Ebenso erging es auch seinen SPD-Kollegen Peter Danckert. Ins Leben gerufen haben das Unternehmen Hans-Hermann Tiedje und Hans-Erich Bilges. Letzterer hat früher die Expo beraten, die ein milliarden-schweres Defizit zurückgelassen hat, das letztlich der deutsche Steuerzahler zu begleichen hatte. Zusammen mit Tiedje hat Bilges aus den Firmen Eurocom und WMP eine Unternehmensgruppe gemacht, die in Deutschland ihresgleichen sucht. 1999 zog das Unternehmen an die Spree. Dem früheren Bild-Chefredakteur Tiedje gehört knapp die Hälfte der Aktien der nicht an der Börse gehandelten Firma. Bilges hält weniger als zehn Prozent. Zu seinen Miteigentümern gehören seit 2001 auch die beiden Liberalen Günter Rexrodt (2,5 Prozent) und Hans Dietrich Genscher (rund fünf Prozent). Auch der Unternehmensberater Roland Berger verfügt über einen Unternehmensanteil von fünf Prozent. Ferner gehören die Brüder Schillinghaus zum illustren Kreis der Mitinhaber. Sie sind gerade wegen Insolvenzverschleppung in ihrem Unternehmen Sachsenring ins Visier der Staatsanwaltschaft gekommen. Der Aufsichtsrat wird von Hans Dietrich Genscher geführt, der dafür laut Gesellschaftervertrag eine Vergütung in Höhe von knapp 40.000 Euro jährlich erhält. Roland Berger erhielt weitere 40.000 Mark. Das sind nur „Peanuts“ verglichen mit den Vorstandsbezügen: 1,7 Millionen Mark 1999, 741.500 Mark 2000. Die WMP AG dient als Muttergesellschaft für folgende Tochterunternehmen: TV Media GmbH (Geschäftsführer Rexrodt, Tiedje), WMP Beratung GmbH (Geschäftsführer Rexrodt, Tiedje), GPA – German Public Affairs GmbH (Geschäftsführer Schiphorst, Tiedje) und T&T Marketing und Events GmbH (Geschäftsführer Rexrodt). Was aber macht WMP genau? Die Namensgebung der GPA offenbart bereits den internationalen Charakter. Es ist geradezu eine Einladung an fremde Staaten (oder Firmen), über Rexrodt und andere Spitzenpolitiker oder Mediengewaltige wie den früheren Bild-Chef Einfluß auf die Politik dieses Landes zu nehmen. „Wir verschaffen Ihnen Gehör“, heißt es auf der Internetseite von WMP. Dieses Angebot hat zum Beispiel die Türkei angenommen. Im von Günter Rexrodt unterzeichneten Lagebericht, der der Bilanz beizufügen ist, sagt er, er hoffe, bald noch mehr fremde Länder als Kunden gewinnen zu können. Natürlich sind die Details der Übereinkunft zwischen der türkischen Regierung und WMP geheim. Es muß spekuliert werden, welches Ziel WMP umzusetzen helfen soll. Nach Lage der Dinge kommt insbesondere der in Ankara so heftig herbeigesehnte Beitritt zur EU in Betracht. Auf dem letzten FDP-Parteitag ging es um genau dieses Thema. Es sprach der Delegierte Rexrodt, seines Zeichens früherer Wirtschaftsminister, zu den Delegierten: „Wir als Liberale müssen den Türken wenigstens eine Chance auf den Beitritt geben.“ Daß er auf der Gehaltsliste Ankaras steht, verschwieg er geflissentlich. Anfang 2002 verfaßte Rexrodt einen Kommentar in der Financial Times Deutschland. Er sprach sich für die Fusion von E.on und Ruhrgas aus. Trotz kartellrechtlicher Bedenken sollte diese umgesetzt werden. Dies sei gut für den deutschen Wirtschaftsstandort. Gut ist es auch für Günter Rexrodt. Er gehört nämlich zu den „Beratern“ von E.on und/oder BP. Dies hat die Redaktion des Blattes sehr verärgert. In einer folgenden Ausgabe entschuldigte sich die Financial Times Deutschland bei ihren Lesern, man habe zu spät erfahren, daß Rexrodt bezahlter Lobbyist ist. WMP ist auch deswegen eine Erfolgsgeschichte, weil das Unternehmen gezielt parteiübergreifend arbeitet – obwohl zum Beispiel Gewerkschaftsvertreter eine CDU/FDP-Lastigkeit der WMP kritisieren. WMP arbeitet nicht mehr für das Arbeitsamt Früher beteiligt war auch Ulrich Marseille (Schill-Partei). Heute gehören auch Sozialdemokraten wie Uwe Karsten Heye, der frühere Sprecher des Bundeskanzlers, oder der Rechtsanwalt Peter Danckert zum noblen Club der Berater. Auch Hans Dietrich Genscher mischt im Beratungsgeschäft mit. Neuerdings ist er Olympia-Berater der Stadt Leipzig. Ob WMP einen Auftrag der Stadt hat, ist nicht bekannt. Bemerkenswert ist aber, daß Firma dort gerade eine Filiale aufgemacht hat. Für das Arbeitsamt jedenfalls wird WMP nicht mehr arbeiten. Der Vertrag wurde kurzerhand aufgelöst. Die „Imageberater“ hatten Angst vor einem weiteren Imageschaden. Und der immer weiter wachsenden Zahl von Arbeitslosen wird die Affäre kaum in Erinnerung bleiben. Nicht nur Arbeitslose, sondern auch BA-Beschäftigte wie Maria Bellano fühlen sich betrogen. Jahrelang arbeitet sie nun schon in einer Bürokratie und bemüht sich redlich, Menschen eine neue Perspektive zu geben. Doch das Amt wurde durch Florian Gerster erheblich in Verruf gebracht. Als Selbstbedienungsladen für Beraterfirmen und als ineffiziente Einrichtung. Frau Bellano gerät selbst ins Grübeln, als sie nach der Existenzberechtigung der den Arbeitsämtern übergeordneten Landesarbeitsämter befragt wird: „Ich weiß auch nicht, was die machen. Ich glaube, die koordinieren die Arbeit der Behörde.“ Klingt nach einem echten Vermittlungsproblem. WMP ist dafür jedoch der wohl ungeeignetste Ansprechpartner.
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