Der Wahlkampf im Freistaat, in dem seit über vierzig Jahren die Christlich-Soziale Union (CSU) mit absoluter Mehrheit regiert, weist zwangsläufig Eigentümlichkeiten auf. Dazu gehört, daß keine der anderen Parteien ernsthaft für einen Machtwechsel und die Ablösung des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber kämpft, sondern sich mit einer Begrenzung des Stimmenzuwachses der Union zufriedengeben würde. Und auf der anderen Seite sieht sich der CSU-Generalsekretär und Wahlkampfleiter Thomas Goppel genötigt, die Siegeszuversicht der eigenen Anhängerschaft zu bremsen: Bei einem Umfragehöchststand von über 60 Prozent (Politbarometer von Anfang September) besteht die Gefahr, daß so mancher mit ruhigem Gewissen der Urne am Sonntag fernbleibt. Die Chancen der CSU stehen in der Tat nicht schlecht, das 1974er Spitzenergebnis von 62 Prozent wieder zu erreichen. Bayern rangiert in fast allen politisch entscheidenden Bereichen an der Spitze der deutschen Länder, außerdem kann Stoiber genüßlich auf die Bundespolitik verweisen, in der sein ehemaliger Rivale Gerhard Schröder weit weniger erfolgreich agiert. Damit ist der „blonde Löwe“ in der Münchner Staatskanzlei mit dem doppelten Vorteil des Amtsinhabers (Bayern) wie des inoffiziellen Oppositionsführers (Bund) ausgestattet. Umgekehrt ergeht es seinem Konkurrenten Franz Maget (SPD). Der hat nicht nur die Unerreichbarkeit des Amtssessels vor Augen, sondern auch noch den Wind seiner sozialdemokratischen Genossen aus Berlin von vorn. Da nützt auch eine eigens ins Leben gerufene „BayernKampa“ sowenig wie das Motto, wer nicht kämpfe, habe schon verloren. Die SPD steht derzeit bei 20 Prozent in den Umfragen, ein Minus von acht Prozentpunkten gegenüber der letzten Wahl 1998. Die Grünen wünschen sich eine Umkehrung des letzten Ergebnisses, von 5,7 auf diesmal 7,5 Prozent. Sie wettern gegen die „kubanischen Zustände“ im Freistaat, wobei der Vergleich auf die Einparteiherrschaft zutreffen könnte, auf alles andere allerdings nicht. Die (in Bayern linksliberale) FDP kämpft in erster Linie um ihren Wiedereinzug in den Landtag, aus dem sie 1994 verschwand. 1998 rutschten die Gelben auf unter zwei Prozent in das Tal der Sonstigen ab, in Umfragen rangieren sie momentan bei drei Prozent. Doch aus dem bürgerlich-außerparlamentarischen Milieu gibt es noch weitere Anwärter, die gegen den „schwarzen Block“ zu Felde ziehen möchten. Die wichtigsten dieser „kleinen“ Parteien sind die Bayernpartei (BP), die Republikaner, Freie Wähler und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). Die Bayernpartei, die in den fünfziger Jahren an der Regierung im Freistaat beteiligt war, später jedoch in der Bedeutungslosigkeit verschwand, setzt programmatisch am entschiedensten auf den Föderalismus. Unter dem Motto „Sparen Sie sich Deutschland“ plädiert die BP für die Unabhängigkeit Bayerns in Europa. Die Hälfte der bayerischen Steuergelder werde an die Bundesrepublik abgeführt, dies soll nach dem Willen der BP aufhören. Statt dessen sollen diese 16 Milliarden Euro bei einer gleichzeitigen Senkung des Spitzensteuersatzes auf 35 Prozent nur für bayerische Belange ausgegeben werden. Einen Wiederaufstieg erhofft sich die BP vor allem aus der Misere der Republikaner, die einst der gefährlichste konservative Konkurrent der CSU war. In einigen Kommunen Südbayerns hat die BP wieder Mandate gewonnen und ist sogar im Bezirkstag von Oberbayern vertreten. Die Republikaner setzen neben ihren klassischen Themen („konsequente Ausländerpolitik“, „Beendigung der Massenzuwanderung“) vor allem auf die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform. Sie wollen die ihrer Meinung nach überflüssigen Bezirkstage abschaffen und die Anzahl der Bezirke von sieben (Ober-, Mittel-, Unterfranken, Oberpfalz, Ober- und Niederbayern sowie Schwaben) auf drei reduzieren. Ziel dieser Reform soll eine finanzielle Entlastung und politische Aufwertung der Kommunen sein. Für mehr Demokratie setzt sich auch die ÖDP ein, die die Möglichkeit von Volksentscheiden erleichtern möchte. Die Ökopartei, die bei der letzten Wahl mit 1,8 Prozent immerhin besser als die FDP abschnitt, hatte bereits mit dem Antrag eines Volksbegehren zur Abschaffung des bayerischen Senats einen Achtungserfolg erzielt. Zweigleisig verläuft der Wahlkampf der ÖDP nun einerseits gegen die schwarze „Spetzlwirtschaft“ und andererseits gegen die rot-grüne Bundesregierung, Den Grünen insbesondere wird Verrat an ökologischen Grundwerten vorgehalten, da sie unter anderem dem Atomkompromiß zustimmten. Als ihre Klientel, so die ÖDP, sieht sie „auch ethisch und ökologisch sensible CSU-Wähler“, die von der praktischen Politik in Bayern enttäuscht seien, aber nicht Rot-Grün wählen möchten. Edmund Stoiber (CSU), Franz Maget (SPD), Sepp Daxenberger (Grüne) und Guido Westerwelle (FDP) beim politischen Frühschoppen in Abensberg, Landkreis Kelheim: Im Freistaat Bayern wird gegen die „kubanischen Zustände“ gewettert