In gewisser Weise ist der Zustand unserer Gesellschaft ein schnödes Abbild der zirkulierenden Warenwelt, die rasch immer differenziertere Produkte auf den Markt wirft. Wer jedoch ein dauerpiepsendes Handy mit Spielkonsole und Fernsehfunktion braucht, ist nicht wirklich ausgemacht. Schnellere, zunehmend vergängliche Antworten liefern Global Players mit ihren Fetischwaren, ohne daß ein Nutzwert dahinter aufscheint. Die Wunderdinge der Technik, die unter dem Schlagwort Innovation tagtäglich angepriesen werden, sind in Wahrheit nichts anderes als „Pseudoinnovationen, Scheintechniken und werden als Anlaß für irgendeinen Marketing-Klamauk gebraucht“. Der das behauptet, versteht etwas davon. Es ist Thomas Hoof, Geschäftsführer des Versandhauses Manufactum, das sich mit dem Credo „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ gegen die allmächtige Warenphilosophie des weltweiten Trends und des steten Wechsels erfolgreich behauptet. Handgefertigtes, so sagt der Name, zeugt von altbewährter Qualität und dem Wissen um den tatsächlichen Wert der Dinge. Zu verstehen ist dies offenbar weniger als trotzig-altruistische Kampfansage gegen die globale Weltwirtschaft denn vielmehr als geistreiche wie stilsichere Selbstbehauptung gegen die Anonymisierung der Dingwelt, die „Banalisierung der Produkte“ und deren Geschichts- wie Gesichtslosigkeit. Angefangen hat alles damit, daß Hoof Ende der achtziger Jahre vergeblich nach einem funktionstüchtigen Messer suchte. Fündig wurde der gelernte Buchhändler schließlich in einem traditionellen Handwerksbetrieb, der noch Messer herstellte, die diesen Namen wirklich verdienen. Damit war sie geboren, die Manufactum-Idee vom unverwechselbaren Produkt, das Funktionalität und Form aufs Sinnfälligste vereint. Fortan wurde sie zu einer atemberaubenden Erfolgsgeschichte, deren Ende dank Unternehmungen wie brot&butter, eigener Warenhäuser und eines englischsprachigen Katalogs gar nicht abzusehen ist. Allein der jährlich erscheinende, kostenlose Manufactum-Katalog, ein freundlicher Ziegelstein in Reinweiß, ist ein Ereignis für sich: Jenseits von schrill, grell und penetrant präsentiert er über 4.000 Gebrauchsgegenstände ohne störendes Beiwerk in asketisch klarem Design. Die Manufactum-Sammlung beherbergt schwere, im England des 19. Jahrhunderts entworfene Registraturen ebenso wie Büroartikel, die aus längst geschlossenen Kontoren zu stammen scheinen. Es gibt emaillierte Kannen, Tischtücher aus Damast und schmiedeeiserne Pfannen. Detailfreudig und sachbezogen sind die Produktbeschreibungen in bewährter Helvetica-Schrift, ohne den kulturkritischen Impetus ihrer Autoren zu leugnen. So erfährt man im aktuellen Warenkatalog Nr. 18 etwa zur „Nomos Tangente“ (aus dem traditionellen Uhrenstandort Glashütte) nicht nur etwas über Fertigung und Funktion, sondern auch über den Begriff „Klassiker“. Das Wort, so befinden die Katalogmacher, treffe laut Peter Sloterdijk auf all jene Hervorbringungen des menschlichen Geistes zu, die „ihre Kritiker überleben“, wie sie auch dieser Handaufzugsuhr prophezeien. Sie liefern damit nicht nur einen ironisch-geistreichen Zeitkommentar, sondern setzen zugleich beim Leser ein reflektierendes Denken in Gang. Dieser fragt sich: Warum überleben Alltagsgegenstände wie diese Uhr? Weil sie mit der handwerklichen Präzision und den Materialien der Vorväter aufwarten, also neben Geschichtlichkeit auch eine Halbwertszeit besitzen, welche die in Taiwan oder China fließbandproduzierten Pendants gar nicht erst anstreben. Die Wegwerfbestimmung ihrer Produkte wirft einen langen Schatten auf die geistige Verfaßtheit des Jetzt. Haltungen werden eben nicht mehr getragen wie das gute alte Leinenhemd, sondern täglich gewechselt wie der Einmal-Rasierer aus orangefarbenem Plastik. Manufactum hält dieser Banalisierung seine Philosophie der „stummen“ Dinge entgegen. So findet sich im Katalog keine Abbildung Mensch/Produkt. Das Urteil des Lesers wird daher nicht durch eine bildliche Inszenierung des Gegenstands beeinflußt, sondern ergibt sich nur aus der „schweigenden“ Anschauung an sich. Dies wiederum paßt zu einem altmodischen Gerät wie einem Milchwächter ebenso wie zum Minimaltelefon „Piezo“, das nur Wahlwiederholung und eben die Stummschaltung kennt. Solch haltbare Dinge, so möchte man meinen, überdauern geschwätzige Epochen wie die unsere, die sich vorrangig durch systematischen Raubbau auszeichnen, als ein Leben auf Pump. Kein Manufactum-Produkt konterkariert diesen Umstand übrigens treffender als eine erst jüngst in Auftrag gegebene Geschäftsidee: ein Einkaufsnetz aus Eisengarn. Der aktuelle Katalog Nr.18 kann kostenlos bestellt werden unter Tel. 02309 / 93900. Weitere Informationen: www.manufactum.de