Fassungslos steht die 33jährige Manuela mit ihrer Reisetasche vor einem Klingelschild voller fremdländischer Namen. „Voll die Arschkarte“ – so seufzt sie, und wie bestellt öffnet sich eine siffige Fahrstuhltür und eine türkische Matrone mit Kopftuch und Trolly schaut kurz in die Kamera und huscht so elegant es geht aus der mit Graffiti verschmierten Eingangstür. Manuela ist eine der beiden „Supermama-Kandidatinnen“, die wöchentlich in der Sendung „Frauentausch“ auf RTL2 für zehn Tage vor laufenden Kameras ihre Familien tauschen. Die Idee ist simpel und erfolgreich. Durch den meist gegensätzlichen Charakter der Familien ist Streß bei diesem Menschenexperiment vorprogrammiert. Da treffen Putzteufel auf Schlampen, Intellektuelle auf Dünnbrettbohrer und Großfamilienmütter auf Einzelkinder. In diesem Fall kündigte RTL2 die „coole Finanzbeamtin“ (Manuela) und eine „überzeugte Katholikin“ (Thertulienne) an. Manuela, das stellt sich bereits im Vorspann heraus, ist das, was man landläufig als „Dummbrot“ bezeichnet. Ihr ist ziemlich alles wurscht, inklusive der Erziehung und der schulischen Leistung ihrer beiden Kinder. Mit ihrem Mann Olaf, Polizist, bewohnt sie ein Häuschen mit Garten in Berlin. Olaf, 32, sitzt während seiner Verlautbarungen vor der Kamera bevorzugt in einer Art Partyraum mit Deutschland-Fahne. Ihren Freizeitgewohnheiten kommt die Familie unter anderem mit vier Fernsehern nach. Was das Schlimmste beim Frauentausch für sie sein könnte? Ausländer! Die beiden sind sich einig. Thertulienne lebt mit ihrem Mann Pierre indes mit vier Kindern ebenfalls in Berlin. Sie kommen aus Kamerun und sind strenggläubige Katholiken. Pierre ist Psychologe und Schriftsteller, der Wert auf Umgangsformen und gutes Benehmen legt. Unter der Woche gibt es kein Fernsehen, die Kinder lernen noch vor dem Frühstück für die Schule, und ohne vorheriges Tischgebet wird nicht gespeist. Manuela, die sich für die Zuschauer schnell als unterbelichtete Zicke entlarvt, freut sich gleich zu Anfang über die „süßen Negerbabys“, hängt kurze Zeit später bei ihrer gläubigen Gastfamilie die Kreuze ab und zwingt Pierre, mitsamt einer Tochter mit zum Christopher-Street-Day zu kommen. Dort werden sie und die Fernsehzuschauer Zeugen von Manuelas ungelenken Hippel-Bewegungen. Olaf nimmt Thertulienne derweil mit auf den Schießplatz, wo sie sich angewidert die Ohren zuhält. Danach geht’s einen heben mit Olafs Kollegen, die dämlich grinsend nur schwer ihre Neger-Witze unterdrücken – so zumindest hat es den Anschein für den Zuschauer. Und für den geht das volkspädagogische Konzept voll auf. „Frauentausch“ serviert ihm bekömmlich die oberflächlichen Deutschen mit rassistischen Vorurteilen und die schwarze Intellektuellenfamilie. Ganz klar, allein die Wohnsituation wird mehr als ungerecht empfunden. Die Deutschen im Häuschen mit nur zwei Kindern wirken im Vergleich zu den beengt wohnenden Kamerunern obszön und parasitär. Die RTL2-Zuschauer verstanden die Botschaft und wählten – wer konnte noch daran zweifeln – die leidgeprüfte Thertulienne zur „Supermama“. Unter den Fernsehformaten, die dem sogenannten Reality zugerechnet werden, ist „Frauentausch“ schon etwas ganz besonderes. Während andere Sendungen schneller verschwinden, als sie aufgetaucht sind, hält sich „Frauentausch“ hartnäckig im Programm. Am 10. November startete bereits die dritte Staffel, bis zu 2,86 Millionen Zuschauer verfolgen wöchentlich montags die Dramen, die sich beim Putzen fremder Toiletten ereignen. „Frauentausch“ erhebt keinen Anspruch auf realitätsnahe Ausgeglichenheit. Zumindest nicht offiziell. Natürlich sind weder die Familie von Thertulienne noch die von Manuela „normal“, wie RTL 2 es den Zuschauern gerne vorgaukeln möchte. Ebenso übrigens wie die Familien von Gül und Janine – zwei weitere Prachtexemplare von „Frauentausch“. Gül, geboren in Istanbul, ist laut RTL2 weltoffen, neugierig – außerdem liest sie sehr gerne. Sie organisiert ihren Haushalt brillant und ist außerdem noch gläubige Muslima. Mit ihrem Mann Murat hat sie zwei wohlerzogene Kinder. Janine dagegen ist der Inbegriff einer billigen Schlampe. Sie kellnert im Swinger-Club und ist zudem hysterisch. Ihr Mann Robert ist Filialleiter eines Sex-Ladens – außerdem ist er ein unsympathischer Hänfling. Statt Kultur und Schöngeisterei wie bei Gül und Murat amüsieren sich Robert und Janine lieber in Erotik-Bars und betreiben Partnertausch. Die beiden Kinder werden derweil zur Großmutter abgeschoben. Keine Frage, sowohl Janine als auch Gül bekommen den Kulturschock ihres Lebens. Während Janine sich von Murat – übrigens völlig zu Recht – über die Pflichten als Familienmutter belehren lassen muß, zeigt auch die weltanschaulich gefestigte Gül, was für ein armes, haltloses Würstchen Robert, dessen bemüht freizügiges Gequatsche Gül sichtlich nervt, eigentlich ist. Das Drama ist am Ende perfekt, Robert und Janine trennen sich, während Murat und Gül sich wieder einträchtig in ihre heile bürgerliche Welt einfinden. Die Sympathien sind klar bei den netten gebildeten, integrierten Türken. Kein Wunder, daß bei einer solchen für das Bildungs-Proletariat bestimmten Multi-Kulti-Volkspädagogik die linken Claqueure nicht weit sind. Die Wochenzeitung Freitag stuft „Frauentausch“ sogar als „Grimme-Preis-verdächtig“ ein. Einzig und allein die „Sender-Umgebung“ sei dafür hinderlich. „Unfreiwillig progressiv“ sei die Sendung, denn sie weise schließlich auf die „Chefposition“ der Frau als „Familienmanagerin“ hin. Tumbe Deutsche und eloquente Ausländer bejubelt Freitag als „genialisches Miniportrait jenes ganz alltäglichen Rassismus“. Die RTL2-Zuschauer, die vielen Manuelas, Olafs, Janines und Roberts sollen ihre Lektionen lernen. Und endlich wird es ihnen so dargeboten, daß sie es auch verstehen – nicht mit Büchern, sondern über einen ihrer unzähligen Fernseher. Für Rainer Langhans, Kommunarde und alter Hase im Reality-Geschäft – er ließ sich wochenlang mit seinem „Harem“ vom Sender TV-München beobachten -, ist die politische und vor allem erzieherische Dimension von „Frauentausch“ allenfalls ein Abfallprodukt. Die Unterhaltung stehe im Vordergrund, der Rest sei „sekundär erwünscht“, so Langhans im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Die Logik der Produzenten der Serie sei an sich nicht politisch, allerdings das Resultat politisch „hochbrisant“. Für Langhans ist dies ein „faszinierender Nebeneffekt“ der Reality-Seifenoper „Frauentausch“. Dabei nimmt es der RTL2-Quotenknaller mit der tatsächlichen Realität nicht unbedingt genau. Aber es bleibt den Machern von „Frauentausch“ im Prinzip auch nichts anderes übrig. Man stelle sich vor, in einer Sendung müßte eine sympathische Deutsche in einer schwarzafrikanischen Asylbetrüger-Familie malochen? Oder was wäre, wenn eine liberale Bildungsbürgerin, eventuell aus einer norddeutschen Kaufmannsfamilie stammend, mal plötzlich Bekanntschaft mit einem jähzornigen türkischen Pascha und dessen Familie machen dürfte? Wahrscheinlich wäre die Sendung genauso schnell abgesetzt wie die anderen Reality-Formate – nur aus anderen Gründen.