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Filmbesprechung: Ein packender Einblick in die Welt der Zwangsehen

Filmbesprechung: Ein packender Einblick in die Welt der Zwangsehen

Filmbesprechung: Ein packender Einblick in die Welt der Zwangsehen

Filmausschnitt
Filmausschnitt
Filmausschnitt: Rebellion und Zwang Foto: Ad Vitam
Filmbesprechung
 

Ein packender Einblick in die Welt der Zwangsehen

Zwangsehe und sexuelle Selbstbestimmung der Frau sind immer wieder auftauchende Themen in der Auseinandersetzung mit dem Islam. Gewalt, Diskriminierung und Demütigung sind an der Tagesordnung. Der Spielfilm „Mustang“ gewährt nun einen fesselnden Einblick in das Innenleben einer von Frauenverachtung geprägten Kultur.
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Zwangsehe und sexuelle Selbstbestimmung der Frau sind immer wieder auftauchende Themen in der kritischen Auseinandersetzung mit islamischen Gesellschaften. Der Spielfilm „Mustang“ gewährt einen bewegenden Einblick in die sozialen Strukturen, innerhalb derer das Phänomen Zwangsehe gedeiht.

Der Übergang von der arrangierten Ehe zur Zwangsheirat ist nicht klar begrenzt. Auch aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis sind historische Erfahrungen mit arrangierten Ehen bekannt, die bis zur Zwangsehe gehen konnten. Das Phänomen trat hier vor allem im Mittelalter und in adeligen Kreisen auf. Wirtschaftliche Überlegungen spielten aber auch in unteren Schichten in die Eheschließungen hinein.

Ganz anders sieht es im islamischen und im hinduistischen Kulturkreis aus, wo die Zwangsehe auch in der Gegenwart noch ein Massenphänomen darstellt. Diese gesellschaftlichen Traditionen der orientalischen Welt stehen heute in einem unüberbrückbaren Gegensatz zur romantischen Liebesheirat, die seit dem 19. Jahrhundert das Ideal der abendländischen Welt bildet.

Scharfe soziale Kontrolle

Der Film basiert offenbar auf eigenen Erfahrungen der türkisch-französischen Regisseurin Deniz Gamze Ergüven. Zu Recht wurde er für einen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Die Schönheit der Landschaft und der jungen Mädchen bricht sich mit Dorftratsch, sozialer Kontrolle und den schroffen Erziehungsmethoden des Onkels.

Der zärtliche Umgang der gezeigten Geschwister untereinander steht im Gegensatz zu einer Erwachsenenwelt, der jede Wärme zu fehlen scheint. Alles ist soziale Funktion und Konvention, Liebe zum Einzelwesen spielt scheinbar kaum eine Rolle.

Fünf Schwestern wachsen nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrer Großmutter (Nihal Koldaş) und dem strengen Onkel Erol (Ayberk Pekcan) in einem entlegenen türkischen Dorf auf.

Im Haus eingesperrt

Als die Schulferien beginnen, albern und tanzen die Mädchen auf dem Heimweg ausgelassen im Wasser. Doch die unbeschwert wirkende Anfangsszene wird rasch durch die Nervosität der Großmutter unterbrochen. Nachbarn hätten sie angerufen, daß die Mädchen sich unziemlich verhalten hätten, Kontakt zu Jungen bestanden hätte. Auf diesen Skandal folgend wird die Freiheit der Mädchen immer mehr eingeschränkt.

Sie werden im Haus eingesperrt, und auf diverse Ausbrüche der freiheitsliebenden Teenager folgen immer stärkere Gegenmaßnahmen. Bald erinnert ihr Heim mit den vergitterten Fenstern an ein Gefängnis. Statt PC, Telefon und schulischer Bildung vermittelt die Großmutter ihre Kenntnisse in Hauswirtschaft, und schließlich wird im Dorf publik gemacht, daß die überraschten Mädchen zur Heirat bereit stünden.

Mütter bringen ihre heiratsfähigen Söhne zur Vorstellung, auf die dann die Eheschließungen im Eilverfahren folgen, derer sich die Mädchen scheinbar nicht entziehen können. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Jungfräulichkeit zu. Dieser Zustand, der auf der biologischen Ebene dem Mann die Gewißheit gibt, der Vater von in der Hochzeitsnacht gezeugten Kindern zu sein, wurde unter religiösem Einfluß zum Fetisch überhöht.

Der heimliche Geliebte

Die aufgeregte Großmutter sorgt sich, daß die Mädchen später keinen Mann finden könnten, wenn sie vor der Hochzeit sexuellen Kontakt gehabt haben. Eines der Mädchen wird nach dem harmlosen Spiel mit Jungen im Wasser umgehend auf ihr Jungfernhäutchen untersucht. Sonay (Ilayda Akdogan), das älteste der Mädchen, schleicht sich anfangs, als dies noch möglich ist, öfters heimlich zu ihrem Geliebten Ekin.

Ihren Geschwistern verrät sie, mit ihm schon seit längerem Sex zu haben, allerdings nur Analverkehr, damit ihre Jungfräulichkeit gewahrt bleibt. Die bewaffnete Familie drängt eines der Brautpaare in der Hochzeitsnacht, das blutbefleckte Laken zu präsentieren. Da die Braut nicht geblutet hat, wird sie noch in der Nacht müde zum Arzt geschleppt, um den vermeintlichen „Betrug“ untersuchen zu lassen.

Rebellion und Sehnsucht

Die Regisseurin zeigt anhand der fünf Mädchen unterschiedliche Möglichkeiten der Entwicklung. Neben echter Liebe existiert das Fügen in die gesellschaftlichen Zwänge, neben Suizid gibt es die offene Rebellion. Sonay gelingt es, ihrem Willen entsprechend, ihren Freund Ekin zu heiraten, da sie der Großmutter mit einem Skandal droht, den diese zu verhindern bemüht ist.

Als größte Rebellin entpuppt sich Lale (Günes Sensoy), die Jüngste, ein Kind noch, das aber einen ausgefeilten Plan entwickelt, aus dem Gefängnis zu fliehen. Dabei soll ihr der freundliche Lastwagenfahrer Yasin helfen. Mit einer Intelligenz und Entschlossenheit, die ihren älteren Schwestern fehlt, formuliert sie das westlich geprägte Istanbul und ihre dort mittlerweile lebende Lieblingslehrerin als Sehnsuchtsort ihres Freiheitswillens.

Filmausschnitt: Rebellion und Zwang Foto: Ad Vitam
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