BONN/SOLINGEN. Der Soziologe und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent hat am Montag im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Phoenix mit Blick auf den mutmaßlichen Terroranschlag von Solingen vor einem Erstarken der AfD gewarnt. Zwar habe die Partei durch das Erstarken der „demokratischen Protestpartei“ BSW und die vermeintlichen Potsdam-Enthüllungen zwischenzeitlich in den Umfragen abgebaut, doch das drehe sich inzwischen wieder zugunsten der AfD. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Gewalttat mit drei Toten und acht Schwerverletzten seien „die Radikalisierungsunternehmer von rechts sehr fleißig“ gewesen, die Tat politisch zu instrumentalisieren.
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Die Verunsicherung der Bevölkerung und „die Agitation“ konservativer und rechter Akteure könnten die kommenden Wahlergebnisse zugunsten der AfD beeinflussen, prognostizierte Quent. Angesprochen auf die Trennlinie zwischen rechtsextremer Instrumentalisierung und die berechtigte Forderung nach Konsequenzen, sagte Quent: „Die Trennlinie verschwimmt über diese emotionale, kollektive Betroffenheit.“ Zwar sei diese Betroffenheit verständlich, doch es werde gefährlich, wenn „generalisiert“ und „überzogen“ werde.
Quent wünscht sich nach Solingen ein „rationales, seriöses Zeichen“
Wo Messerattacken und andere Gewaltverbrechen von Ausländern in einen Zusammenhang mit der Migrationspolitik gesetzt würden, „findet eine Instrumentalisierung statt“. Dabei sei das eigentliche Problem ein anderes: „Die islamistischen Terroristen wollen Angst verbreiten, indem sie Zivilisten angreifen, und die rechten Extremisten nutzen diese Angst aus.“ Letztere täten das nicht als Gegenpol zum Islamismus, sondern als Verstärkung dessen.
Terroranschläge seien nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit zu verhindern, betonte Quent. Die Geschichte habe gezeigt, daß kühle Köpfe besser im Kampf gegen Terrorismus seien als emotionale Gegenschläge. Auf die Frage, wie nun die „Instrumentalisierung“ von islamistischem Terror durch rechte Kräfte verhindert werden könne, sagte der Soziologe, er würde sich von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „ein Zeichen des Zusammenhalts und der Geschlossenheit, aber auch ein rationales, seriöses Zeichen wünschen“.
Bei der Forderung nach politischen Maßnahmen gegen Islamismus dürfe es keinen „Überbietungswettbewerb“ geben. Quent war in der Vergangenheit Mitarbeiter der Thüringer Linkspartei-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss. 2016 war er Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, einer außeruniversitären Forschungsgruppe unter Trägerschaft der Amadeu-Antonio-Stiftung. (st)