BERLIN. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat aufgrund des Anfangsverdachts der Untreue und Vorteilsnahme Ermittlungen gegen die ehemalige ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger und ihren Ehemann eingeleitet. Sie hatte über Gebührengelder im Februar ein Abendessen in ihrer Wohnung abgerechnet, an dem auch Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik und ihr Gatte teilgenommen hatten. Schlesinger legte nach bekanntwerden weiterer Vorwürfe Anfang August auch ihr Amt als RBB-Intendantin nieder. Zuvor war sie bereits als ARD-Chefin zurückgetreten.
Laut Aussagen der Polizei ging die Polizeichefin davon aus, daß es sich bei dem Abendessen um ein rein privates Treffen gehandelt habe. „Frau Dr. Slowik hat die Information darüber, daß die Kosten für ein Abendessen bei der Familie Schlesinger (…) dem RBB in Rechnung gestellt wurden, mit großem Erstaunen und Irritation zur Kenntnis genommen“, teilte ein Sprecher der Berliner Polizei laut einem Bericht der Berliner Zeitung mit. Für die Polizeipräsidentin sei es in keiner Weise ersichtlich gewesen, „daß dieses Treffen einen beruflichen Hintergrund hatte“. Über die Spesen habe sie keine Kenntnis gehabt.
Bei Champagner: Nur „rein privates Treffen“?
Insgesamt 1154,87 Euro stellte Schlesinger dem RBB für den kulinarischen Abend in Rechnung. Zu einem Vier-Gänge-Menü wurden Champagner und Wein gereicht.
Slowik und ihr Mann seien schon länger privat bekannt mit Familie Schlesinger, betonte der Polizeisprecher. „Auch die Gesprächsinhalte waren rein privater Natur. Hätte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet, daß es sich um ein geschäftliches Essen auf Kosten des RBB handelt, hätten Frau Dr. Slowik und ihr Mann die eigenen Kosten getragen.“
Gewerkschafts-Chef kritisiert Schlesinger
Scharfe Kritik am Verhalten Schlesingers kommt derzeit auch vom früheren Berliner FDP-Abgeordneten und heutigem Gewerkschaftschef Marcel Luthe. „Wir haben zu dem Fall sowohl beim RBB als auch bei der Berliner Polizei Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz über die abgerechneten Bewirtungsunterlagen beantragt“, sagte der Vorsitzende der Good Governance Gewerkschaft (GGG) im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT.
„Damit wollen wir zum Einen herausfinden, welche Hinterzimmer-Netzwerke gibt es rund um Schlesinger noch? Kam es hier eventuell zur Bewirtung weiterer Personen aus Politik und Verwaltung, um vielleicht auch die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen zu beeinflussen?“ Zudem wolle die Gewerkschaft klären, ob die Polizeipräsidentin möglicherweise gegen das Verfahrensrecht verstoßen habe. Luthe glaubt, daß „Frau Slowik von dem Hintergrund des Abendessens zunächst nichts gewußt hatte“. Er betonte, seine Arbeitnehmerorganisation sehe es als „zentrale gesellschaftliche Aufgabe“ an, zu kontrollieren, was mit den Mitteln der Bürger geschieht. „Wenn wir besser kontrollieren, was auf der Ausgabenseite passiert, muß man sich weniger Gedanken über die Einnahmeseite machen.“
Mehrheit für Abschaffung der Rundfunkgebühren
Schlesingers Fehlverhalten und Rücktritt als ARD-Vorsitzende sorgte in den letzten Wochen für viele negative Schlagzeilen. Von einem Glaubwürdigkeitsproblem der Öffentlich-Rechtlichen sprach der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall. Angesichts massiver Einsparungen in den Rundfunkanstalten passe es nicht in die Zeit, wenn an der Spitze der ARD-Sendeanstalten „anscheinend sorglos mit Geld“ umgegangen werde, kritisierte er im Deutschlandfunk. Ihr Rücktritt, auch als Intendantin, komme angesichts des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens „zur rechten Zeit“, betonte der DJV-Chef, der selbst für den WDR tätig war.
Seit Jahren stehen die gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland in der Kritik, nicht nur aufgrund der Causa Schlesinger. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der Bild-Zeitung wollen 84 Prozent der Deutschen die Gebühren abschaffen.
In anderen Ländern stehen die Öffentlich-Rechtlichen bereits gehörig unter Druck. So schaffte Frankreich die Rundfunkgebühren unlängst ab. Auch in Großbritannien wird das Ende dieser staatlich eingetriebenen Gebühren bereits seit Monaten heiß diskutiert. Die BBC soll demnach ab 2027 keine Rundfunkgebühren mehr fordern dürfen. Künftig könne sich der Sender durch Abos und Teilprivatisierungen finanzieren, heißt es laut britischen Medienberichten. (ab)