HONGKONG. Der Streaming-Dienst Disney+ hat eine Folge der Zeichentricks-Serie „The Simpsons“ in Hongkong ausgelassen, die das Tian’anmen-Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erwähnt. Dabei könnte es sich um den ersten Fall von Zensur eines US-amerikanischen Streaming-Anbieters in der asiatischen Stadt handeln, berichtete das Nachrichtenportal Bloomberg.
In der Folge der Serie besucht die Cartoon-Familie Peking. Eine Szene zeigt die Figur Selma Bouvier vor einem Panzer, was eine Anspielung auf eine berühmte Aufnahme von der Niederschlagung der Studentenproteste 1989 ist. In der Serie ist zudem ein Schild mit der Aufschrift „Tian’anmen-Platz: Wo 1989 nichts passierte“ zu sehen.
In der „Simpsons“-Folge aus dem Jahr 2005 erwähnt die Figur Homer Simpson außerdem, daß der Gründer der kommunistischen Partei Chinas, Mao Zedong, 50 Millionen Menschen tötete. Zudem gibt es eine Anspielung darauf, daß China Tibet gegen dessen Willen eingliederte.
Im Juni 1989 ging die kommunistische Staatsführung gewaltsam gegen Anhänger der studentisch geprägten Demokratiebewegung in Peking vor. Nach Schätzungen des Roten Kreuzes kamen dabei rund 2.600 Menschen ums Leben, 7.000 weitere wurden verletzt.
„Simpsons“-Folge könnte gegen Gesetze verstoßen
Disney+ war am 16. November in Hongkong mit seinem Angebot gestartet. Die besagte „Simpsons“-Folge ist die zwölfte Episode der 16. Staffel. Die Episoden elf und 13 sind laut Bloomberg in China abrufbar. Weder der US-Konzern noch die Hongkonger Regierung äußerten sich bislang.
Im vergangenen Monat hatte Hongkong, das eine chinesische Sonderverwaltungszone ist, ein Zensurgesetz beschlossen, das Inhalte verbietet, die gegen das Sicherheitsgesetz Chinas verstoßen. Bei Zuwiderhandlung drohen bis zu drei Jahre Haft. Das Sicherheitsgesetz wiederum verhängte die Volksrepublik China im Sommer vergangenen Jahres über Hongkong, nachdem es zu Massenprotesten gegen die Regierung gekommen war.
Der Professor für Literatur und Medien der Hongkong Baptist University, Kenny Ng, bezeichnete den Vorgang als ersten Fall, „daß ein amerikanischer Streaming-Gigant Inhalte in Hongkong zensiert“. Ähnliche Fälle könnten sich seiner Einschätzung nach künftig wiederholen, da immer mehr Unternehmen finanzielle Interessen in China hätten. „Im Grunde genommen geht es darum, daß die Streaming-Anbieter sich mehr an ein chinesisches Publikum anpassen und dessen Regierung nicht beleidigen wollen.“
Disney+ nimmt Kinderfilme aus dem Programm
Anfang des Jahres hatte Disney+ mehre mehrere klassische Kinderfilme aus den Profilen für Heranwachsende entfernt. Grund dafür seien die darin angeblich bedienten rassistischen Stereotype und negativen Darstellungen von Kulturen. Disney teilte damals über sein Programm „Stories Matter“ mit, daß davon beispielsweise die Filme „Dumbo“, „Peter Pan“, „Susi und Strolch“, „Das Dschungelbuch“ und „Aristocrats“ betroffen seien. Im März 2020 kündigte Disney an, aus Sorge vor feministischer Kritik eine männliche Figur aus der Neuverfilmung des Märchens „Mulan“ zu streichen. (ag)