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Private Filmaufnahmen 1945-49: Mit der Kamera durch die Nachkriegszeit

Private Filmaufnahmen 1945-49: Mit der Kamera durch die Nachkriegszeit

Private Filmaufnahmen 1945-49: Mit der Kamera durch die Nachkriegszeit

Die ZDF-Dokumentation "Wir bauen auf!" zeigt den Neubeginn im Deutschland der Nachkriegszeit Foto: ZDF Mediathek/Screenshot
Die ZDF-Dokumentation "Wir bauen auf!" zeigt den Neubeginn im Deutschland der Nachkriegszeit Foto: ZDF Mediathek/Screenshot
Die ZDF-Dokumentation „Wir bauen auf!“ zeigt den Neubeginn im Deutschland der Nachkriegszeit Foto: ZDF Mediathek/Screenshot
Private Filmaufnahmen 1945-49
 

Mit der Kamera durch die Nachkriegszeit

Die ZDF-Dokumentation „Wir bauen auf! Privatfilme aus der Nachkriegszeit“ zeigt die ersten Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Sicht der sogenannten kleinen Leute. Doch dabei erliegen die Filmemacher der Versuchung, schiefe Vergleiche zu ziehen.
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Bei der Darstellung historischer Abläufe ist die Perspektive der sogenannten kleinen Leute von besonderem Reiz. Im 20. Jahrhundert bieten Filmaufnahmen dafür eine Fülle von Anschauungsmaterial. Anhang von Privatfilmen will die ZDF-Dokumentation „Wir bauen auf! Privatfilme aus der Nachkriegszeit“ zeigen, wie die Deutschen nach der Kriegsniederlage den Neubeginn meisterten.

In Stadtarchiven, Landesbildstellen und privaten Sammlungen konnte der Regisseur und Autor Jörg Müllner dazu Farbaufnahmen aus den Jahren 1945-49 ausfindig machen: Für diese Zeit eine Rarität, denn nach dem Krieg wurde die Produktion von Farbfilmen in Deutschland vorübergehend eingestellt.

Diese bisher unbekannten Aufnahmen verknüpft Müller mit ausgewählten Einzelschicksalen in seinem Film. Zu den Protagonisten der dadurch konstruierten Narrative werden hauptsächlich die Amateurfilmer selbst.

Aufnahmen zeigen die Wiederherstellung der Normalität

Da wäre beispielsweise der – 1907 nach Amerika emigrierte – Unternehmer Johann Bruecker, der zu Beginn der 50er Jahre auf der Suche nach seinem Bruder wieder nach Deutschland reiste. 1953 konnte er den Heimatvertriebenen im süddeutschen Schönaich ausfindig machen und verbrachte die darauffolgenden Jahre damit, seine während der Kriegswirren verstreute Familie wieder zusammenzuführen.

In Stuttgart baute Hans Hutt derweil seinen Elektrogroßhandel wieder auf. Hobbyfilmer Hutt dokumentierte die Wiederherstellung der Normalität auf schwarzweiß Film.

Ihren emotionalen Höhepunkt finden diese Erzählungen schließlich in der Liebesgeschichte eines versehrten Kriegsheimkehrers und seiner zukünftigen Ehefrau, die einige Aufnahmen aus der gemeinsamen Jugend kommentiert. Das Paar verbrachte seine Anfangsjahre damit, um die Welt zu reisen und die Angehörigen der ehemaligen Kameraden Wilhelm Emmerlings über den Verbleib ihrer Angehörigen in Kriegsgefangenschaft zu informieren.

Das Format birgt Risiken

Derartige Erzählmuster gehören zum Standardrepertoire des sogenannten Infotainments; der unterhaltsamen Aufarbeitung von Bildungsinhalten. Durch die starke Figurenbindung werden dem Zuschauer emotionale Bezugsmöglichkeiten zum vermittelten Geschehen geboten.

Diese Herangehensweise birgt allerdings auch Risiken: Eine Tendenz zum Subjektiven und Banalen oder die Verlockung allzu pointierter Narrative à la Relotius, bei denen die Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion verschwimmen. Nicht zuletzt besteht hier auch die Gefahr, aus vorhandenem Quellenmaterial historische Kontinuitäten zu konstruieren, die letztlich zum Bereich der Fiktion gehören.

Es geht einfach nicht ohne…

Auch Müllner scheint diesen Verlockungen erlegen zu sein, denn an mindestens zwei Stellen stolpert der Zuschauer über Erzählungen, die doch recht offensichtlich die Handschrift politisch korrekten Infotainments tragen. So wird im letzten Drittel des Films von Hilde und Maria berichtet, die gemeinsam ein erfolgreiches Kurhotel in Bad Reichenhall führten. Die Erzählerstimme kommentiert: „Zwei Frauen auf dem Weg nach oben – in einer von Männern geprägten Geschäftswelt.“

Jeder kennt die Erfolgsgeschichte der Trümmerfrauen, doch man kommt nicht umhin, bei der Geschichte von Hilde und Maria eine bewußte – wenn auch vergleichsweise subtile – Inszenierung als frühe Karrierefrauen zu wittern, die schon damals heteronormative Geschlechterrollen durchbrachen. Doch das ist nicht das größte Ärgernis.

Interessante Einblicke bleiben

Natürlich kommt man bei der Erwähnung der Heimatvertriebenen und der Fluchtbewegung in die westlichen Besatzungszonen nicht umhin eine fragwürdige Verbindungslinie zur Migrationskrise von 2015 zu ziehen. Wie schief und politisch motiviert das ist, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung mehr. Dieses Narrativ gehört jedoch heutzutage zum Standardrepertoire der Advokaten der unkontrollierten Massenzuwanderung.

Alles in allem schmälern diese erwartbaren Schönheitsfehler die Qualität der Dokumentation jedoch nur unwesentlich. Die Aufnahmen gewähren einen interessanten Einblick in die Frühphase der Bundesrepublik und einige der erzählten Schicksale sind nahegehend und inspirierend.

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Die Dokumentation „Wir bauen auf! Privatfilme aus der Nachkriegszeit“ läuft Dienstag abend um 20.15 Uhr im ZDF und ist in der Mediathek abrufbar.

Die ZDF-Dokumentation „Wir bauen auf!“ zeigt den Neubeginn im Deutschland der Nachkriegszeit Foto: ZDF Mediathek/Screenshot
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