Zu den Erzählmustern deutscher USA-Korrespondenten gehört, daß Präsident Donald Trump alles falsch macht. Das galt schon vor Corona, jetzt aber erst recht. Inzwischen versteigt sich manch ein Journalist zu der Behauptung, die Amerikaner wünschten sich Angela Merkel anstelle von Donald Trump im Weißen Haus. Mit der Wirklichkeit hat all das nicht viel zu tun.
Eine unrühmliche Rolle spielt dabei die Welt. Sie berichtete am Mittwoch, in den USA herrsche eine „Merkelmania“. Das Rezept für diese jeder Grundlage entbehrenden Behauptung: Man schreibe zwei Artikel aus linkslastigen amerikanischen Zeitungen zusammen und schließt daraus aufs ganze Volk. „ʿIn Höchstformʾ sei Angela Merkel, heißt es in den USA“, vermeldet Daniel Friedrich Sturm. Um dann zu ergänzen: „Medien zeigen gar auf, was der US-Präsident von der deutschen Kanzlerin lernen kann.“
Das Wörtchen „gar“ suggeriert, es handele sich um zwei verschiedene Bewegungen: Die USA und die dortigen Medien. Die Wahrheit ist: Der Autor beruft sich zunächst auf die erklärte Trump-Feindin New York Times, die gar davon phantasiert, Merkel könne Vizepräsidentin unter Biden werden. Aber: Das Ganze steht lediglich in einer wirren Kolumne von Bret Stephens.
Fakten werden weggelassen
Dieser Journalist ist seit 2016 Mitglied der „Stoppt-Trump-Bewegung“. Den Präsidenten vergleicht der Kommentator gern mit dem italienischen Diktator Benito Mussolini. Stephens ist so umstritten, daß er von einem Professor der George-Washington-Universität schon als „Bettwanze“ beschimpft wurde. Ein politischer Aktivist gilt der Welt also als Kronzeuge dafür, daß in den USA eine „Merkelmania“ um sich greife.
Ähnlich wirr wie Stephens arbeitet Sturm. Kürzlich wetterte der USA-Korrespondent der Welt, Trumps Verweis auf ein Malaria-Medikament gegen Covid19 „hat bereits ein Menschenleben gekostet“. Die Wahrheit: Zwei Amerikaner hatten ein scharfes Reinigungsmittel getrunken, weil sie auf der Flasche gelesen hatten, daß dieselben Wirkstoffe darin enthalten sind.
Dieses irrationale Verhalten hatte Sturm verschwiegen – sonst hätte es nicht in sein Narrativ gepaßt. Ein paar Tage später las man in derselben Zeitung, wie vielsprechend die Arznei im Kampf gegen Corona helfen könnte. Sturm aber formuliert: Trumps „schuldhaftes Zögern und die Unfähigkeit, wenigstens in der Krise zum Staatsmann zu reifen, bedrohen weitere, womöglich sehr viele Leben“.
Nischenmagazin als Beleg
Dort der mutmaßliche Killerpräsident – hier die von allen verehrte Kanzlerin. Das scheinen die Recherchethesen zu sein, nach denen man sich im Washington-Büro der Welt an die Arbeit macht. Das Zitat, Merkel befinde sich in „Höchstform“ stammt aus der literarischen Spartenzeitschrift „The Atlantic“, die nur zehn Mal im Jahr erscheint. Es ist erst der zweite Artikel der jungen Produzentin Saskia Miller. Sie meint, „das Geheimnis des deutschen Corona-Erfolges“ liege darin, daß die Kanzlerin Naturwissenschaftlerin sei.
Daß Merkel einst Physik studiert hat und keine Medizinerin ist, zu Beginn der Krise komplett abgetaucht war, sich jetzt Debatten über einen Exit aus dem Lockdown verbittet, muß eine amerikanische Journalistin nicht wissen. Ein mit der Kanzlerin besser vertrauter deutscher Journalist sollte das einordnen können. Saskia Miller hätte sich wahrscheinlich selbst nicht träumen lassen, daß ihr relativ naiver Text für ein Nischenmagazin in einer deutschen Zeitung als Beleg für eine Merkel-Sehnsucht in den USA herhalten könnte.
Daniel Friedrich Sturm paßt der Artikel dennoch in sein holzschnittartiges Weltbild. In seinen Berichten aus den USA, die nicht als Kommentare gekennzeichnet sind, bezeichnet er den amerikanischen Präsidenten wahlweise als „Elefant im Porzellanladen“, als „Phantast“ und „als hemmungslosen Lügner“. In diesem Zusammenhang versteht man leichter, daß der Korrespondent auch einen Anti-Trump-Aktivisten wie Bret Stephens zur Stimme Amerikas umdeutet, um die deutsche Kanzlerin hochzujubeln.