Die JUNGE FREIHEIT wurde vor 25 Jahren aus der Intention heraus gegründet, einen Mangel zu beheben. Die Studenten und Schüler, die den Anstoß zu diesem Zeitungsprojekt gaben, fühlten sich durch die fehlende Repräsentanz von Konservativen in Politik und Medien herausgefordert. Wer sich für die deutsche Einheit einsetzte, galt als reaktionär. Karl Feldmeyer, langjähriger Parlamentskorrespondent der FAZ, schrieb über die Zeit, als die JF erstmals erschien: „Ein großer Klärungsprozeß setzte damals in Bonn ein und schied jene, für die die Wiedervereinigung existentiell war und nicht zur Disposition gestellt werden konnte, von der überwältigenden Mehrheit: Es wurde einsam um uns, die an der Einheit festhielten.“
Die deutsche Frage war das Kernthema dieser Zeitung und blieb es, auch als die ersehnte Wiedervereinigung nach dem glücklichen Mauerfall von 1989 eintrat. Die Selbstverständlichkeit der Deutschen, eins zu sein und einen souveränen Platz als selbstbewußte Nation zu behaupten, darum ringen wir bis heute. Die Frage stellt sich automatisch in bezug auf die Rolle Deutschlands in der EU, in der aktuellen Auseinandersetzung um den Euro, zur Einwanderung und zum Konzept einer Integrationspolitik, die nicht klärt, in was eigentlich integriert werden soll.
Die Begleitumstände des Aufbaus dieser Zeitung wurden zum Politikum. Offenkundig stellte das Blatt eine enorme Provokation dar. Selten ist mit so viel Energie versucht worden, ein Presseorgan an seiner Entfaltung zu hindern, wie bei der JF.
„Eine Zensur findet nicht statt“
Formal garantiert das Grundgesetz in Artikel 5 die Freiheit der Meinung, wenn es heißt, jeder habe „das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung … werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Wir haben den Selbstversuch gemacht. Mit der JUNGEN FREIHEIT lernten wir die Verfassungswirklichkeit dieses Grundrechts kennen. Bereits als das erste öffentliche Interesse einsetzte, brachen ab 1992 wellenartig Angriffe von Angehörigen einer linksfaschistischen Antifa-SA los: 1994 brannte unsere Druckerei, gingen Autos der Redaktion und des Vertriebes in Flammen auf. Das Bestürzende: Dies geschah – von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen – unter dem ohrenbetäubenden Schweigen der Öffentlichkeit, durch die ein Aufschrei der Empörung gegangen wäre, hätte es ein linkes Blatt getroffen.
Mehr noch: Die linksradikalen Angreifer konnten sich ab 1995 für zehn Jahre des moralischen staatlichen Flankenschutzes erfreuen. In Gestalt des Verfassungsschutzes von NRW, der die JUNGEN FREIHEIT jahrelang willkürlich dem Verdacht des Extremismus aussetzte.
Der daraus folgende Druck auf Anzeigenkunden, die Beschneidung der Vertriebswege, die Attacken und wiederkehrende Boykottaufrufe gegen den freien Kioskverkauf der JF, sie versetzten die junge Zeitung in eine existenzbedrohende Lage. Aus dieser Situation heraus einen zehnjährigen und über drei Instanzen dauernden Prozeß gegen das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen durchzustehen, war zermürbend.
Erlösender Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht
Der erlösende Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht im Mai 2005 bedeutete – auch von linken Medien unbestritten – einen Durchbruch für die Pressefreiheit. Dem Staat und seinen Behörden sind nun engere Grenzen gesetzt, durch bloße Verdachtsäußerungen Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken.
Die JF steht stellvertretend für den Anspruch von Konservativen, politisch und publizistisch in der Öffentlichkeit Einfluß zu nehmen. Weder gibt es im Parlament eine konservative Partei noch eine überregionale Zeitung von Rang, die dieser politischen Strömung Geltung verschafft. Wir fordern dies ein und werden hierfür bekämpft.
Es mehren sich indes Anzeichen dafür, daß sich der Wind dreht. Thilo Sarrazin hat im vergangenen Jahr ein Fenster aufgerissen und für einen Stoß frischer Luft gesorgt. Mit seinen Thesen sei er, wie er reflektierte, „nach allen überkommenen Maßstäben der deutschen Republik nicht nur politisch tot, sondern auch bürgerlich ein Leichnam“ gewesen. Doch er überlebte – wenn auch mit dem Verlust seines Bundesbank-Amtes.
Norbert Bolz sprach den 1,4 Millionen Käufern von Sarrazins Buch aus dem Herzen, als er im letzten Herbst bei Anne Will ausrief: „Die Leute lassen sich nicht länger für dumm verkaufen, sie lassen sich nicht länger zum Schweigen bringen! Die Leute sind nicht mehr bereit, sich von der politischen Klasse und von besonders arroganten neuen Jakobinern, auch in den Feuilletons, den Mund verbieten zu lassen.“ Noch haben die Jakobiner in den Feuilletons das Heft weiter in der Hand, der Griff lockert sich jedoch, und es ist die Aufgabe wacher Bürger und souveräner Journalisten, es ihnen zu entreißen.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Bei allen Debatten um Tabus und die durch sie verstellte Meinungsfreiheit stößt man indes immer wieder zu einem spezifisch deutschen Problem vor: Letztlich ist der archimedische Punkt die Haltung zur eigenen Nation und zur deutschen Vergangenheit – damit das Anliegen dieser Zeitung. Der Historikerstreit wies mit der durch ihn aufgeworfenen Frage nach Kausalität und Relativität deutscher und europäischer Geschichte auf diesen Kern der deutschen Debatte, die nach Martin Walser von „Meinungssoldaten“ umstellt ist. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Das Internet mit seinen unabhängigen Foren, seiner unverstellteren Sprache, den neuen Möglichkeiten direkter Mitwirkung, setzt die angestammten Kartelle unter Druck. Es wird eine Herausforderung sein, die Freiheit der Rede durchzusetzen und Deutschland geistig handlungsfähig zu machen. Dadurch, daß politische Alternativen überhaupt wieder frei verhandelt werden und zur Abstimmung stehen. Dem gilt als Medium einer kritischen Gegenöffentlichkeit unser ganzer Einsatz.
JF 22/11