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Abschied von Joseph Ratzinger: Ein Rufer in der Wüste

Abschied von Joseph Ratzinger: Ein Rufer in der Wüste

Abschied von Joseph Ratzinger: Ein Rufer in der Wüste

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. betet: Sein „Zurück zu Gott!“ fand im linksklerikalen Establishment kein Gehör
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. betet: Sein „Zurück zu Gott!“ fand im linksklerikalen Establishment kein Gehör
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. betet: Sein „Zurück zu Gott!“ fand im linksklerikalen Establishment kein Gehör Foto: picture alliance / Pessefoto ULMER
Abschied von Joseph Ratzinger
 

Ein Rufer in der Wüste

Abschied von Papst Benedikt XVI.! Heute wird das ehemalige Kirchenoberhaupt beigesetzt. Seine Gegner arbeiteten sich bis zuletzt an dem ehemaligen Kirchenoberhaupt ab. Ratzingers scharfer Verstand hob ihn schon zu Lebzeiten von Amtsvorgängern und -Nachfolgern ab.
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Man wagt in Anbetracht des verbrauchten Begriffs „Zeitenwende“ solches kaum noch zu schreiben, aber es muß sein: Wenn am Donnerstag die sterbliche Hülle von Papst Benedikt XVI. zu Grabe getragen wird, markiert dies das Ende einer Epoche. Für die einen mag die Duplizität, die darin besteht, daß die Christenheit im selben Kalenderjahr sowohl die weltliche „Hüterin des Glaubens“ verloren hat als auch ihr (heimliches) geistliches Oberhaupt, nicht der Rede wert sein; andere werden darin ein Menetekel sehen.

Mit Elisabeth II. und dem auch unter Protestanten mit pietistischer Prägung hochgeschätzten Papst aus Bayern haben 2022 zwei Garanten der christlichen Tradition in Europa von der Weltbühne verabschiedet, für die es keine gleichwertige Nachfolge gibt. Theologisch konnte Franziskus I., der „Bürgerpapst“, nie aus dem Schatten seines Vorgängers treten, weil die Liebe zur tiefen philosophischen Reflexion, die Benedikts Beschäftigung mit den Glaubensinhalten seiner Kirche und damit sein Lebenswerk charakterisierte, bei seinem Amtsnachfolger spürbar geringer ausgeprägt ist.

So blieb es 2019, als Franziskus bereits sechs Jahre im Amt war, seinem Vorgänger überlassen, die Krise, die bis heute hohe Wellen schlägt, kirchenhistorisch und theologisch aufzuarbeiten und dabei Roß und Reiter zu nennen: eine degenerierte Sexualmoral und die Absage an absolute sittliche Normen. Sie identifizierte Benedikt als Wurzel allen Übels in seinem Aufsatz „Die Kirche und der Skandal des sexuellen Mißbrauchs“. Sein Fazit ist so einfach wie einleuchtend: „Nur wo der Glaube nicht mehr das Handeln des Menschen bestimmt, sind solche Vergehen möglich.“ Der Text erschien 2019 nahezu zeitgleich mit den Flammen, die die Kathedrale Notre-Dame in Paris zur Ruine machten. Und das alles zur Osterzeit. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Gegner fürchteten Rückkehr zu verklemmter Sexualmoral

Benedikt XVI. – Joseph Ratzinger: Werte in Zeiten des Umbruchs. Jetzt im JF-Buchdienst bestellen. >>

Benedikts „Zurück zu Gott!“-Empfehlung war ein Stich ins Wespennest, den viele dem Emeritus nie verziehen haben. Das linksklerikale Establishment, repräsentiert etwa durch den Freiburger Fundamentaltheologen Magnus Striet, biß aggressiv zurück: Der Papst wolle doch wohl kein Zurück zur verklemmten Sexualmoral der 50er Jahre! Das war, auf einen Nenner gebracht, die Hauptkritik an der Schrift. Völlig zu Recht war sie als Angriff auf eine der heiligen Kühe der 68er verstanden worden. Mehr als nachvollziehbar also die Gereiztheit. Moralische Entrüstung füllte die Leerstelle, die fehlende Argumente ließen.

Davon war am Silvesterabend wenig zu spüren. In Sonderberichten würdigten ARD und ZDF das Lebenswerk des bereits 1951 zum Priester geweihten Benedikt, der 1977 Kardinal wurde. Selbst Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der zwischen den Stühlen von Kurie und deutschem Reformkatholizismus sitzt, schlug sich bei der Würdigung demonstrativ auf die Seite Roms. Die hohe Meinung, die Franziskus I. immer von seinem Vorgänger gehabt hat, hatte erkennbar ihren Weg auf die Lippen des obersten Repräsentanten der Kurie in Deutschland gefunden. Der Bischof erinnerte auch daran, daß niemand anders als Benedikt die Aufarbeitung der skandalösen Mißbrauchsfälle in Angriff nahm.

Knapp ein Jahr ist es jetzt her, da wurden auch von Bätzing noch ganz andere Töne angeschlagen: Wegen einer falschen Aussage Joseph Ratzingers bezüglich seiner Teilnahme an einer Ordinariatssitzung, die über vierzig Jahre zurücklag, schlugen Wogen der Empörung über dem 94jährigen zusammen. Grotesk in Anbetracht eines amtierenden Bundeskanzlers, der sich in viel jüngeren Jahren an viel kürzer zurückliegende Sitzungen noch viel schlechter erinnern kann und damit bei den sonst so angriffslustigen Medien nur ein laues Lüftchen auslöst. Derart versessen darauf, Benedikt als Lügner zu entlarven und damit sein Andenken zu beschädigen, können nur ideologische Intimfeinde sein.

Haßfigur von LGBTQ-Anhängern

Tatsächlich konnte man den Lobbyisten einer „Kirche von unten“ und den mit ihnen verbandelten Journalisten wie schon während Benedikts Amtszeit beim Ränkeschmieden förmlich zusehen: Der Kirchenrechtler Thomas Schüller, der sich durch die Mitwirkung an Hajo Seppelts Propaganda-Doku „Wie Gott uns schuf“ (ARD) als Apologet einer an 68er-Normen angepaßten Sexualmoral empfohlen hatte, wurde zwischen den öffentlich-rechtlichen Anstalten herumgereicht wie ein frisch gekürter Weltmeister im Wahrsagen. Sowohl im Deutschlandfunk als auch im ARD-„Brennpunkt“ nach der „Tagesschau“ war er zu hören und würzte seine Aussagen mit gut dosierten Gehässigkeiten über „eindeutige“ Lügen und ein angeblich „ruiniertes Lebenswerk“ des einstigen Erzbischofs von München und Freising.

Pikant: Schüller war Anfang der Achtziger Theologie-Student in Tübingen. Dort lehrte der spätere Weltethos-Gründer Hans Küng, dem zur Empörung der progressiven Studentenschaft 1979 die Lehrerlaubnis entzogen worden war. Der Konflikt mit Hans Küng, seinem reformorientierten Antipoden, gehört zu den spannendsten Kapiteln in Ratzingers Biographie und wurde verfilmt unter dem Titel „Die zwei Päpste“ (2019). Marschierten die beiden Hochbegabten Anfang der Sechziger auf dem II. Vatikanischen Konzil noch Seite an Seite, schlugen sie in der Ära der Studentenproteste gegensätzliche Wege ein.

Für progressive Theologen, also diejenigen, die heute die als „synodalen Weg“ geframte Umwandlung der katholischen Kirche in eine Regenbogensekte befürworten (zu denen gehört Schüller), wurde Küng zum Künder eines neuen Evangeliums und Ratzinger zur Haßfigur. Als Präfekt der Glaubenskongregation (seit 1982) war er Johannes Pauls II. Mann fürs Feine. Der Dogmatik-Professor befaßte sich intensiv mit Fragen der Morallehre. Fast alles, was er als maßgeblicher Autor des Katechismus der katholischen Kirche zu Fragen der Sexualmoral dargelegt hat, werten Anhänger der LGBTQ-Ideologie als Kriegserklärung, obwohl er der Stigmatisierung und Diskriminierung homosexuell empfindender Menschen eine klare Absage erteilte.

Nur wenige waren dem Papst intellektuell gewachsen

Seewald, Peter / Diözese Passau KdöR: Benedikt XVI., Jetzt im JF-Buchdienst bestellen. >>

Intellektuell gewachsen waren ihm wenige. Er aber war dem Mittelmaß nicht gewachsen: jenen mittelmäßigen Intriganten, geistigen Kleingärtnern und intellektuellen Dünnbrettbohrern, die die von ihm als Papst mit großem Ernst betriebene Aufarbeitung behinderten, falsche Fährten legten und so ihre Pfründen zu sichern hofften; jenen Journalisten, die Nebenkriegsschauplätze eröffneten, um seine Botschaft zu verdunkeln; jenen Politikern, die wie Claudia Roth Bibelverse ausrotten wollen oder wie Christian Lindner lieber vor einem Porsche in die Knie gehen als vor Gott.

Ein „Experte“ ließ sich am Silvesterabend im Fernsehen zu der Peinlichkeit hinreißen, bleiben werde von diesem Papst vor allem sein Rücktritt 2013. Eine Aussage, die mit Blick auf die kolossale Lebensleistung des Gelehrten, der schon als Theologie-Professor die Hörsäle in Freising, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg bersten ließ, mehr als nur unwilliges Kopfschütteln hervorruft und sich unschwer als Wunschdenken der Legionen von Kritikern identifizieren läßt, die Joseph Ratzinger intellektuell selbst dann nicht das Wasser reichen konnten, als der sich, hochbetagt und geschwächt, längst in die klösterliche Abgeschiedenheit von Mater Ecclesiae zurückgezogen hatte.

Benedikt war Rufer in der Wüste

Bleiben wird von Benedikt XVI. ein beachtliches Schrifttum, gipfelnd in der kolossalen dreibändigen Beschäftigung mit „Jesus von Nazareth“, die – vom theologischen Mittelmaß weitgehend unbeachtet – den Protestanten in vielen Streitfragen, wie etwa der Rechtfertigungslehre – die Hand reichte und damit die Tür zu einer Ökumene desselben christlichen Geistes weit aufstieß. Wo aber Protestanten und Katholiken – gerade hierzulande – sich längst aufgemacht haben, die tradierte Glaubenslehre abzuwracken und durch eine neuheidnische Regenbogen-Religion zu ersetzen, da mußte Ratzingers epochales Werk weitgehend wirkungslos verpuffen.

Viele Journalisten erreichte der Mann aus Marktl mit seinem „Jesus“-Buch nicht, weil sie ihn, längst anderen Geistes Kinder, nicht verstanden. Der Spiegel gab das freimütig zu.

Benedikt XVI. war eine Lichtgestalt des 20. und 21. Jahrhunderts, ein Mensch von vorbildlicher Haltung, edler Gesinnung und überragendem Scharfsinn. Europas Gottvergessenheit galt sein aussichtsloser Kampf, der geistig-moralischen Versteppung sein mahnendes Wort. Er war die Stimme eines Rufers in der Wüste. Nun ist sie verstummt.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. betet: Sein „Zurück zu Gott!“ fand im linksklerikalen Establishment kein Gehör Foto: picture alliance / Pessefoto ULMER
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