ISTANBUL. Es ist schon eine Krux, einen Vertrag mit Mesut Özil geschlossen zu haben. Oder sich auf den Weltmeister von 2014 verlassen zu haben. Davon kann nach dem Bundespräsidenten, Fußball-Fans und dem DFB nun auch sein aktueller Arbeitgeber Fenerbahçe Istanbul ein Lied singen. Der mit Auszeichnungen wie dem Silbernen Lorbeerblatt, dem Bambi oder dem „Deutschen Fußball-Botschafter“ überhäufte Fußballspieler hinterläßt verbrannte Erde, wohin er auch kommt. Betrachtungen über einen Mann, in dem sich alle irrten. Außer der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Dennoch steht er nun auch in der Türkei im Mittelpunkt der Kritik. Sein Klub Fenerbahçe hat ihn wegen fehlender Berufseinstellung schon vor einem Vierteljahr suspendiert. Er will Özil loswerden. Doch der 33jährige pocht nun darauf, seinen noch zwei Jahre laufenden hochdotierten Vertrag zu erfüllen. Heißt: Özil kassiert ein üppiges Gehalt fürs Nichtstun. Dieselbe Nummer hat er bereits bei seinem vorigen Arbeitgeber Arsenal London abgezogen.
Wie Özil den Bundespräsidenten blamierte
Rückblende: Vor der WM 2018 hatte Özil durch gemeinsame Fotos mit dem Autokraten Erdogan im Wahlkampf für Aufregung gesorgt. Während die deutschen Fans empört waren und ihn bei den Vorbereitungsspielen ohrenbetäubend auspfiffen, hielt der DFB zu ihm und nahm ihn mit zu dem Turnier nach Rußland. Der Verband hatte ihm zuvor das Image verpaßt, ein Paradebeispiel für gelungene Integration zu sein. Das schien ihn zu schützen. Özils WM-Teilnahme aber spaltete die Mannschaft, die erstmals in der WM-Geschichte bereits in der Vorrunde als Tabellenletzter ausschied.
Kurz danach trat Özil unter schweren Rassismus-Vorwürfen gegen den DFB aus der Nationalmannschaft zurück. Bundestrainer Jogi Löw und Manager Oliver Bierhoff, die Özil – genau wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – in Schutz genommen hatten, standen blamiert da. Sie mußten lernen, Dankbarkeit darf man von ihm nicht erwarten. Und noch etwas wurde klar: Özils Loyalität gilt nur einem Mann: Recep Tayyip Erdogan. Der nutzte die Affäre prompt zur Stimmungsmache gegen Deutschland. Später erwählte der Kicker den Staatschef sogar zu seinem Trauzeugen. Der Autokrat hat übrigens kein Herz für das eher aufmüpfige Fenerbahçe. Er hält zum regimetreuen Klub Basaksehir Istanbul.
Vom Paradebeispiel für Integration zum Abzocker
Ein Jahr nach dem aufsehenerrgenden Rücktritt folgte der nächste Eklat. Özil geriet bei seinem Londoner Klub aufs Abstellgleis. Vorwurf: fehlende Einstellung. Arsenal wollte ihn nicht einmal mehr verkaufen, sondern am liebsten verschenken. Doch der Deutsch-Türke weigerte sich: „Wenn ein Verein will, daß ein Spieler geht und der Spieler das ablehnt, muß der Verein das akzeptieren, außer man findet zusammen eine Lösung. Ich will nicht gehen, damit hat sich das.“ Zu diesem Zeitpunkt hatten ihn die Londoner sogar aus dem Saisonkader gestrichen und dem Verband nicht gemeldet. Das hieß: Özil war nicht mehr spielberechtigt, saß aber seinen mit 20 Millionen Euro pro Jahr dotierten Vertrag aus. Fans und Vorstand schäumten.
Fast identisch stellt sich die Situation nun in Istanbul dar. Dorthin war er aus England im vergangenen Jahr unter großer Begeisterung der Fans gewechselt. Özil, der Weltstar, war endlich in die Türkei gewechselt. Als Heilsbringer vergöttert, lagen die Türken dem heimgekommenen verlorenen Sohn zu Füßen. Doch auch in der in Europa als zweitklassig geltenden türkischen Liga fehlten Einstellung und Leistung. Folge: Der Weltmeister wurde vor drei Monaten aus dem Kader ausgeschlossen – ein gefallener Engel. Seitdem ist er der bestbezahlte Zuschauer in der Türkei. Auch diesmal ließ der Mittelfeldspieler von Anfang an keinen Zweifel daran, den Verein nicht vor Vertragsende am 30. Juni 2024 zu verlassen. Aus dem Parade-Beispiel für gelungene Integration ist aus Sicht der Vereine und Anhänger nun endgültig ein Abzocker geworden.
Fenerbahçe-Fans sind nicht mehr gut auf Özil zu sprechen
Am Dienstag bekräftigte Özil sein neues Image auf Twitter: „Ich wiederhole mit Nachdruck: Ich werde meine Karriere nicht in einem anderen Team als Fenerbahçe beenden.“ Den Istanbuler Klub bezeichnete er als seine „Jugendliebe“. Ob er für diese allerdings alles gibt, hat Klub-Präsident Ali Koc schon lange vor der Suspendierung infrage gestellt. Bereits im November beklagte er, daß Özil sich nicht auf seine Arbeit konzentriere: „Er muß seine geschäftlichen Angelegenheiten beiseitelegen und sich mehr darauf konzentrieren, wie er für Fenerbahçe den besten Beitrag leisten und sein Bestes geben kann.“ Hintergrund: Özil betreibt die Lifestyle-Marke „M10“ sowie sein eigenes eSports-Team. Eine schöne Zusatzeinnahme zu den Fußball-Millionen.
Özil versprach den inzwischen nicht mehr gut auf ihn zu sprechenden Fenerbahçe-Fans jetzt: „Ich werde hart arbeiten und mich immer bereithalten, wie ich immer sage, Hauptsache Fenerbahçe.“ In der Türkei wie auch zuvor in England meinen aber zahlreiche Anhänger, es gehe Özil in der Hauptsache nur um sich. Diesen Eindruck dürften Löw und Bierhoff vor vier Jahren ebenfalls gehabt haben. Vielleicht auch Steinmeier. (fh)