KÖLN. Der Journalist Phillip Gessler hat der linken Identitätspolitik bescheinigt, zunehmend religiöse Züge zu tragen. „Das liegt vor allem daran, daß bestimmte Arten von Bußritualen eingefordert werden“, erläuterte der Autor im Deutschlandfunk. Selbst wenn man Worte wie beispielsweise „Neger“ in Anführungszeichen setze, müsse man sich am Ende dafür entschuldigen.
„‘Danke, daß ich lernen darf’, muß man dann so ungefähr sagen. Das sind Rituale, die eingefordert werden, die an religiöse Formen erinnern.“ Mit seinen Äußerungen bezog sich Gessler auf zwei Vorfälle bei den Grünen: Deren Bundesvorsitzende, Annalena Baerbock, entschuldigte sich im Juli dafür, in einem Interview das Wort „Neger“ verwendet zu haben.
Im März bat auch die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin, Bettina Jarasch, um Verzeihung. Sie hatte angegeben hatte, als Kind „Indianerhäuptling“ werden zu wollen. „Auch ich muß dazu lernen“, äußerte sie sich damals.
Gessler: „Müssen die Meinungsfreiheit schützen“
Der ehemalige taz-Redakteur, der auch für den Deutschlandfunk gearbeitet hatte, unterstrich, durch solche Bußrituale bekomme das Wort „Neger“ eine Art magische Wirkung, ähnlich wie der Name des Bösewichts aus den „Harry Potter“ Romanen. Zwar wollten solche Sprachkritiker im Prinzip das Richtige, sie schössen dabei aber über das Ziel hinaus. „Es geht darum, daß wir das hohe Gut der Meinungsfreiheit schützen. Wir sollten respektvoll und offen miteinander diskutieren. Da gibt es keinen Umweg.“
Zuvor hatte Gessler in der taz angemerkt, die Befürchtungen vor einem „Rechtsruck“ in der Gesellschaft seien unsinnig. „Bei dieser Markierung als ‘rechts’, die Assoziationen mit Nazi und Ähnlichem aufzurufen beliebt, gehen alle in der Tat möglichen Fragen zur Sache unter.“ Das Wort „rechts“ sei durch seine Verwendung in der linken Identitätspolitik eine „fast beliebige Chifre“ geworden. Wer nicht woke, intersektional und politisiert sei, der sei eben „rechts“. (fw)