BERLIN. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat vor einer Verklärung der deutschen Geschichte gewarnt. In einer Rede anläßlich der Eröffnung des ethnologischen und des asiatischen Museums am Humboldt-Forum sagte das deutsche Staatsoberhaupt, das Museumsensemble sei „kein Ort der Selbstvergewißerung, sondern der Selbstbefragung“. Die ethnologischen und asiatischen Ausstellungen zeigen vor allem Ausstellungesstücke aus dem außereuropäischen Raum.
Der Bundespräsident erklärte, die Welt sei an diesem Ort nicht nur zu Gast, sondern zu Hause. „Menschen aus der Türkei, aus Italien, Griechenland, Spanien und Portugal, aus Iran, Irak, Afghanistan und Syrien, aus Nigeria, dem Kongo und Somalia, aus Asien, Nord- und Südamerika: Menschen aus allen Teilen der Welt leben heute in Deutschland und sind vielfach Deutsche geworden. Sie gehören zu dem, was heute ‘deutsch‘ bedeutet.“ Sie seien nicht einfach Menschen mit Migrationshintergrund in einem anderen Land – vielmehr sei Deutschland selbst ein Land mit Migrationshintergrund.
Steinmeier lobt „Black Lives Matter“
In diesem Zusammenhang führte der Bundespräsident weiter aus, Massenbewegungen wie „Black Lives Matter“ seien heutzutage dringend notwendig seien. „Das Unrecht, das Deutsche in der Kolonialzeit begangen haben, geht uns als ganze Gesellschaft etwas an. Denn in unserem Land gibt es auch in der Gegenwart, mitten im Alltag dieser Gesellschaft, Rassismus, Diskriminierung, Herabsetzung von vermeintlich Fremden – bis hin zu tätlichen Angriffen und furchtbaren Gewalttaten.“
Man könne die tieferen Wurzeln des Alltagsrassismus nur dann verstehen und überwinden, wenn man die blinden Flecken der Erinnerung ausleuchte und sich mit der eigenen kolonialen Geschichte auseinandersetze. Dies sei auch die Aufgabe des Humboldt-Forums. Am Montag erst hatte Steinmeier laut Deutscher Presse-Agentur im Vorfeld des Festaktes gesagt, er sehe in der Eröffnung des Humboldtforums „keinen Grund für selbstzufriedenen Jubel“.
Nigerianische Gastrednerin fordert Museumsgut zurück
In ihrer Vorrede beschrieb Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die Vision des Humboldt-Forums mit den Worten, es gehe darum, der Weltoffenheit Raum zu geben. Die Ausstellung gehe ganz bewußt über nationale Horizonte hinaus. „Hier kann jeder, hier kann jede Weltbürger sein.“ Zudem bedankte sie sich bei allen, die sich am Aufbau des Museums beteiligt hatten. Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, die ebenfalls als Festrednerin auftrat, forderte in ihrem Wortbeitrag die Museumsleitung dazu auf, koloniales Ausstellungsgut an die Herkunftsländer zurückzugeben.
Mit rund 10.000 Ausstellungsstücken bilden die beiden neu eröffneten Museen den Hauptteil des im restaurierten Berliner Stadtschloß untergebrachten Humboldt-Forums. Sowohl der Bau als auch die Eröffnung des Museumsensembles wurden von Kontroversen begleitet. Kritiker warfen den Museumsmachern immer wieder eine „geschichtsrevisionistische“ und „reaktionäre“ Grundhaltung vor. (fw)