„Wenn heute irgendwo jemand eine neue Nation gründet, läßt er sich als erstes eine Nationalhymne komponieren, weil es ohne Hymne gar nicht mehr geht, weil man sich sonst international gar nicht behaupten kann. Oder glaubst du, wenn ein Staatsmann zu Besuch kommt, und der schreitet die Front ab, da kann man ja nicht spielen ‘Fuchs, du hast die Gans gestohlen’. Das muß was feierliches sein.“
Es ist nicht überliefert, ob der australische Premierminister Scott Morrison die Ausführungen der Filmfigur „Ekel Alfred“ Tetzlaff aus der WDR-Serie „Ein Herz und eine Seele“ von 1973 kennt. Jedenfalls war auch der Politiker der Ansicht, daß die Hymne seines Landes nicht feierlich, sondern auch aktuell sein müsse.
Zu diesem Zweck wurde zum Jahreswechsel nun aus der Zeile „for we are young and free“ ein „we are one and free“. Statt „jung und frei“ singt man auf dem Fünften Kontinent nun, „einig und frei“ zu sein.
Die Nationalhymne wurde schon vorher geändert
Morrison reagierte damit auf Kritik von Aborigine-Verbänden. Denn die australischen Ureinwohner hatten sich laut Deutscher Welle daran gestört, als „junge Nation“ bezeichnet zu werden, da sie das Land schon Zehntausende Jahre vor der Ankunft der weißen Siedler bewohnt hätten.
Durch die Hymnenänderung wolle er diesem Umstand noch Geltung verschaffen, schrieb Morrison in einem Beitrag für die Zeitung The Age. Bereits zuvor war übrigens schon aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit aus „Australiens Söhnen“ in der ersten Zeile der Hymne „Australier“ geworden.
Damit befindet sich die Einwohner des Kontinents übrigens in guter Gesellschaft mit den Österreichern. Diese hatten zum Jahreswechsel 2011/2012 aus „Heimat bist du großer Söhne“ ein „Heimat bist du großer Töchter und Söhne“ gemacht. Statt der „Brüderchören“ in der dritten Strophe singen in der Alpenrepublik nun die „Jubelchöre“.
Kommt eine One-World-Hymne?
So bemüht man sich nun mit höchstem Fingerspitzengefühl darum, bloß niemanden durch die alten Liedern auszugrenzen. Daß diese immer auch die Entstehungszeit und den Geist der vergangenen Jahrhunderte widerspiegeln, wird dabei freilich unhistorisch abgeräumt.
Umso überraschender erscheint es daher, daß gerade die martialische Hymne der USA bislang unangetastet blieb. Gilt das Land doch als Vorreiter einer hypersensiblen politischen Korrektheit. Aber im „star spangled banner“ explodieren noch immer fleißig die Bomben und erinnern damit an den Sieg im britisch-amerikanischen Krieg von 1812, der auch Zweiter Unabhängigkeitskrieg genannt wird. Mal sehen, wann die US-Demokraten sich dessen annehmen.
Überhaupt mögen den besonders progressiven Geistern die Nationalhymnen als Ausdruck angeblich überkommener Konstrukte wie Völkern und Nationen gelten. Wäre es angesichts einer herbeigesehnten One-World nicht auch Zeit für ein entsprechendes Erdenlied? Ein All-Star-Chor aus Popsängern, darunter Michael Jackson und Lionel Richie, trällerte ja bereits 1985 „we are the world“. Dann doch lieber „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“.