BERLIN. Mit einer scharfen Kritik haben die Verantwortlichen der „Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in Deutschland“ und der „Arbeitsgemeinschaft Gedenkstätten zur Diktatur in SBZ und DDR“ auf das Erinnerungskultur-Konzept von Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) reagiert. In einem Brief werfen sie der Politikerin sogar vor, ihr Entwurf könne „als geschichtsrevisionistisch im Sinne der Verharmlosung der NS-Verbrechen verstanden werden“.
In der Stellungnahme, aus der der Spiegel zitiert, werfen die Experten Roth auch vor, das DDR-Unrecht werde „weitgehend auf die deutsche Teilungsgeschichte reduziert“. Ihr Konzept lasse „Zweifel an einer reflektierten Haltung zu den DDR-Staatsverbrechen aufkommen“. Roth breche den bestehenden Konsens, daß „die nationalsozialistischen Verbrechen nicht relativiert und das SED-Unrecht nicht bagatellisiert werden dürfen“.
Claudia Roth streicht „politische Unabhängigkeit“
Das 43seitige Roth-Papier lasse eine „fundamentale Schwächung der Erinnerungskultur“ befürchten, heißt es in dem Brandbrief. Kritik ruft auch hervor, daß die Grünen-Politikerin die politische Unabhängigkeit der Gedenkstätten, die seit 2008 garantiert ist, gestrichen hat.
Außerdem wolle Roth die vom NS- und SED-Staat verübten Verbrechen mit Terror-Anschlägen vermischen. Sie preist dies als einen Beitrag zur Stärkung der „Diversität“ in Deutschland. Das sehen die Gedenkstättenleiter ganz anders.
Roth komme zum Nationalsozialismus nicht über ein „pflichtschuldiges Mantra“ hinaus. Die Kulturstaatsministerin hebe in ihrem Konzept vieles auf die gefühlige Ebene. Doch die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen habe einen zentralen Stellenwert für das staatliche Selbstverständnis der Bundesrepublik. Dies werde in Roths Papier „nicht deutlich“.
„Wir peitschen das ohne euch durch“
Die Grünen-Politikerin scheint für die Kritik jedoch nicht offen. Bei Gesprächen im März hatten die Vertreter der Gedenkstätten und ihrer Verbände den Eindruck, Roth wolle keine Diskussion, sondern uneingeschränkte Zustimmung. Ein nicht namentlich genannter Beteiligter sagte dem Spiegel: „Uns wurde klargemacht: Wir peitschen das notfalls auch ohne euch durch.“
Bestätigt fühlen dürften sich die Kritiker durch einen Brief, den die Ministerin inzwischen an sie geschrieben hat. Darin heißt es, sie habe viel Zuspruch erhalten. (fh)