Als es Anton Zeilinger und seinen damaligen Kollegen von der Universität Innsbruck 1997 erstmals gelang, Licht-Quanten von einer Laborecke in die andere zu teleportieren, dauerte es nicht lange, bis – gleichsam in Warp-Geschwindigkeit – das Beamen aus der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ ins Spiel kam und der Quantenphysiker den Beinamen „Mr. Beam“ erhielt.
Das Medienecho auf Zeilingers Erfolg war beachtlich. Im „Spiegel“ erschien ein Bericht mit der Überschrift „Spukhafte Wirkung“ und auch die Fernsehsender sprangen bereitwillig auf den Zug auf. Da bei den sogenannten Leitmedien in der Regel nicht Natur-, sondern Geisteswissenschaftler die Zügel in der Hand halten, war das mit dem Beamen eine hilfreiche Illustration zur Erklärung komplexer physikalischer Phänomene, die sowieso kein Journalist so richtig versteht.
Wer als Kind gesehen hat, wie Käpt’n Kirk und sein erster Offizier Mr. Spock auf das Holodeck ihres Raumschiffs treten, plötzlich nur noch in hellen Umrissen und dann gar nicht mehr zu erkennen sind, weil sie auf einen anderen Planeten „gebeamt“ wurden, könnte sich bei der Beschreibung von Zeilingers quantenoptischer Entdeckung in der Tat an die erfundene Teleportationstechnik aus der berühmten Serie erinnert fühlen. Zeilinger macht jedoch klar: „Das Beamen von großen Objekten und auch Menschen ist vollkommen außerhalb der physikalischen Möglichkeit. Das ist so weit weg, daß man darüber derzeit nicht einmal nachdenken muß. Das wär‘ vollkommen unrealistisch.“
Zeilinger: Im Grunde ist Beamen wie Faxen
Die Forschung des frischgebackenen Nobelpreisträgers entführt in die Welt der subatomaren Teilchen, in der Informationen plötzlich an einem anderen Ort auftauchen können, ohne daß es einen Übertragungsweg gibt. Es geht um Photonen, Teilchen des Lichts.
BREAKING NEWS:
The Royal Swedish Academy of Sciences has decided to award the 2022 #NobelPrize in Physics to Alain Aspect, John F. Clauser and Anton Zeilinger. pic.twitter.com/RI4CJv6JhZ— The Nobel Prize (@NobelPrize) October 4, 2022
Einer Gruppe von Studenten versuchte der Österreicher seinen Forschungsgegenstand anläßlich eines Gastvortrags an der Universität Hamburg so zu erklären: Alice hat ein Teilchen, ein Photon, und möchte, daß Bob dieses Teilchen bekommt. „Alice und Bob nehmen ein verschränktes Paar an Photonen, Alice macht an einem dieser beiden verschränkten und an dem, das sie teleportieren will, eine bestimmte Messung. Und durch diese Messung wird in 25 Prozent der Fälle das Teleportierte eine identische Kopie des Originals.“
Für Laien bemüht Zeilinger, statt auf die Enterprise zu verweisen, zur Veranschaulichung der komplexen Materie lieber den Vergleich mit einem Faxgerät. Wie beim Faxen kommt an einem bestimmten Ort, allerdings ohne Zeitverzug, eine Kopie heraus. Nur, so Zeilinger, „mit dem zusätzlichen Punkt, daß das nicht eine Kopie ist, sondern wirklich so etwas wie ein neues Original. Es ist vollkommen ununterscheidbar. Man sieht’s ihm nicht an, daß es gefaxt ist, sondern es trägt alle Eigenschaften des Ursprünglichen. Und das Ursprüngliche verschwindet. Das wird vernichtet. Das ist nicht mehr da.“
Nur Humor ist für den Physiker keine Wissenschaft
Wichtig zum Verständnis des von Zeilinger entdeckten Phänomens ist, daß Informationen teleportiert werden und nicht Gegenstände. Das verweist auf den Rahmen, in dem die quantenphysikalischen Erkenntnisse des Wiener Professors relevant werden: die Welt der Daten. Der Vorzug von Zeilingers Quantenteleportation ist der Schutz der Information. Denn wo es keinen Übertragungsweg gibt, gibt es auch keine Diebe, die den Daten unterwegs auflauern, sie kopieren, klauen oder ihre Codes knacken können, und auch keine heimlichen Spione, die sie bespitzeln.
Auch für die Quantencomputer-Technologie ist Zeilingers Forschung wegweisend. Erfreut zeigte sich der 1945 in Ried im Innkreis zur Welt gekommene Wissenschaftler, der 1999 von Innsbruck an die Universität Wien wechselte und dort in den Vorsitz des Instituts für Experimentalphysik, als die von ihm erstmals erfolgreich durchgeführte Teleportation in den Medien für die erwartbaren Schlagzeilen sorgte: „Das ist sicherlich für das Selbstbewußtsein der Physiker allgemein sehr wichtig“, kommentierte der Grundlagenforscher die schmeichelhafte Resonanz augenzwinkernd.
Daß der 77jähige kein verbiesterter Theoretiker ist, sondern durchaus Sinn für Humor hat, ließ er 1998 auch an der Bereitschaft zu einem kleinen Spaß erkennen: Vor der laufenden Kamera eines Hamburger Studentensenders verabschiedete er sich mit den Worten: „Da fällt mir gerade ein: Ich muß in zehn Minuten in Innsbruck sein“ und ließ sich in der digitalen Nachbearbeitung der MAZ per Trickeffekt aus dem Bild beamen.