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Hoffnung für das Abendland: Die Auferstehung

Hoffnung für das Abendland: Die Auferstehung

Hoffnung für das Abendland: Die Auferstehung

Sonnenaufgang vor der Teynkirche in Prag. Foto: picture alliance / dpa
Hoffnung für das Abendland
 

Die Auferstehung

Das Christentum, historische Gewißheiten und das Abendland liegen am Boden. Doch das ist kein Grund für Zynismus oder Resignation: der Nihilismus ist auch am Ende. Das Überleben der abendländischen Kultur hängt nun von der Konsequenz ihrer Verfechter ab. Es ist auch ein innerer Kampf. Ein Kommentar von David Engels.
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Seien wir ehrlich mit uns: Trotz aller Hoffnung wissen wir, daß wohl zumindest der Westen Europas nie mehr in jenem Sinne „abendländisch“ sein wird, wie er es in den letzten Jahrhunderten war.

Die Mittelklasse wird vollständig erdrückt zwischen Prekariat und Elite, die Großstädte sind weitgehend in den Händen von außereuropäischen Parallelgesellschaften, das Christentum wurde vollständig aus dem öffentlichen Raum herausgedrängt, das klassische Bild der Geschlechter und das abendländische Ideal von Weiblichkeit und Ritterlichkeit sind verpönt, der Wunsch zur hemmungslosen Selbstentfaltung hat die meisten Formen von Solidarität und Idealismus verdrängt, die parlamentarische Parteiendemokratie diskreditiert sich gerade dauerhaft selbst, nationale Identitäten und Sprachen sind angesichts einer schier überwältigenden Amerikanisierung auf dem Rückzug, Stolz auf die großartige historische Vergangenheit unseres Kontinents gilt als chauvinistisch und ausgrenzend, der Niedergang von Bildung und Forschung ist schon fast grauenhaft …

Was tun? 

Die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Rechnet man noch hinzu, daß in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit dem Aussterben der älteren Generationen das demographische Gleichgewicht noch deutlicher zuungunsten der „schon länger hier Lebenden“ ausfallen wird, sollte eigentlich ziemlich klar werden, wie unsere Zukunft beschaffen sein wird; und die wenigen jungen Menschen, welche – oft in bewußter Abwendung von ihren 1968er Eltern – mutig zur historischen und oft auch christlichen Tradition zurückfinden, werden sich selbst im besten aller denkbaren Fälle bald als eine Parallelgesellschaft unter vielen anderen wiederfinden.

„Was tun?“ – stellt sich nun die Frage. Den Sachverhalt einfach ignorieren und einfach so zu tun, als wäre alles beim Alten und würde auch weiterhin so bleiben? Das mag zwar bequem sein, ist aber sicherlich keine echte Lösung für den täglichen Kampf, können wir doch nur auf Grundlage einer rücksichtslos ehrlichen Analyse der Situation auch adäquate Strategien für die Zukunft entwickeln.

Erster Schritt: Die Realität anerkennen

Aufgeben oder uns in die Rolle des zynischen einsamen Beobachters zurückziehen, der längst jede Hoffnung aufgegeben hat und den inneren Zusammenbruch unserer Zivilisation nur noch als unterhaltsames Spektakel betrachten? Auch das wäre nicht nur unwürdig, sondern auch feige und undankbar, da selbst der scheinbar unbeteiligte Betrachter immer noch von dem zehrt, was frühere Generationen ihm mit der Pflicht zur Pflege und Weitergabe überlassen haben.

Nein, die einzige Antwort auf die Frage „Was tun?“ besteht zunächst in der kühlen Einsicht in die Unausweichlichkeit jener geistigen Umstürze und Kulturbrüche, die sich in den nächsten Jahren ergeben werden, und von denen Dijon, Stuttgart und die BLM-Ausschreitungen nur ein erster, kleiner Vorgeschmack sind – und dann vor allem im Mut, die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen.

Gleichgesinnte Gruppen müssen zusammenarbeiten 

Die „letzten Abendländer“ – eine Bezeichnung, die hier nicht ethnisch gemeint ist, sondern diejenigen bezeichnet, die sich mit Liebe, Stolz und Dankbarkeit zu unserer kollektiven Vergangenheit der letzten Jahrhunderte bekennen, egal, was ihr jeweiliger Hintergrund sein mag – werden in absehbarer Zeit zu einer Minderheit unter vielen anderen werden.

Wenn sie in dieser Konstellation kulturell überleben und vielleicht auch ihre Tradition in künftiger Zeit erneut zu einer allgemeinen „Leitkultur“ erheben wollen, gelten zwei Grundsätze: die unbedingte Stärkung und Festigung der eigenen Identität sowie die enge Zusammenarbeit mit ähnlichen Gruppen überall in Europa, um dem ebenfalls international agierenden Druck sinnvoll entgegentreten zu können.

Während der zweite Punkt eminent politisch ist und bereits in einem anderen Kontext besprochen wurde – ich verweise hier nur auf mein Buch „Renovatio Europae“ –, ist der erste vor allem privat und mag hier, da das Thema erstaunlich selten öffentlich besprochen wird, ein wenig breitere Aufmerksamkeit erhalten, wobei die aufgeführten Punkte wesentlich ausführlicher in meinem in wenigen Tagen nunmehr auch in deutscher Sprache erscheinenden Buch „Was tun? Leben mit dem Niedergang Europas“ (Renovamen) beschrieben werden.

„So werde ich selbst fortan handeln“

Zentral ist hierbei die Idee, die eigene kulturelle Identität nicht mehr, wie in früheren, wahrscheinlich glücklicheren Zeiten, durch das uns umgebende zivilisatorische Kollektiv des heutigen Europas bestimmen zu lassen, wandelt dies sich doch zunehmend zu einem posthistorischen, seelenlosen, oft sogar anti-abendländischen Gebilde, in dessen praktischem Alltag zunehmend nicht-europäische Parallelgesellschaften tonangebend sind: Wir müssen uns vielmehr unsere abendländische Identität aus dem letzten Rest lebendiger Tradition und vor allem aus der historischen Erfahrung erneut zu eigen machen und nach innen wie nach außen hin vertreten und verteidigen, und zwar in dem vollen Wissen, bei diesem Versuch nicht getragen, sondern vielmehr angefeindet zu werden.

David Engels: „Was tun?“ – jetzt im JF-Buchdienst vorbestellen
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Ein solcher partieller Re-Kultivierungsprozeß kann aber nur dann langfristig glaubwürdig und sinnvoll geschehen, wenn er nicht nur die Oberfläche, sondern auch unseren eigenen Wesenskern berührt, sich also nicht nur auf ein abstraktes „Die Gesellschaft sollte vielleicht“ beschränkt, sondern vielmehr ein konkretes und entschlossenes „So werde ich selbst fortan handeln“ impliziert.

Den Kampf um das Abendland führt jeder mit sich selbst

Ob es nun die Neuentdeckung der geistlichen Tradition des Christentums ist, das abendländische Familien- und Geschlechterideal, der Dienst am Schönen, die Durchsetzung von Tugend und Pflichtbewußtsein im Alltag, die Pflege des Stolzes am Eigenen, die Nachhaltigkeit unserer Handlungen, der Respekt vor der Schöpfung, der Mut zum Eintreten für die eigenen Positionen – alle jene Punkte müssen unseren Alltag prägen und Familie wie Umfeld ein lebendiger Anreiz zur Nachahmung sein, anstatt sich nur auf das gelegentliche Ankreuzen eines Namensfelds am Wahltag oder Kommentare in den sozialen Medien zu beschränken.

Dies ist freilich leichter gesagt als getan: Wir alle sind, ob wir es wollen oder nicht, Kinder unserer Zeit und somit bis ins Mark durchdrungen von jener „Kultur des Todes“, die auf der irrigen Annahme basiert, der Mensch sei nicht nur Maß, sondern auch unumschränkter Herr aller Dinge und müsse sich daher jeglicher Begrenzung entledigen, um in voller Freiheit schalten und walten zu können – eine gefährliche Arroganz, die schon vom Alten Testament und den Griechen als Hybris erkannt worden war und unausweichlich nicht nur zu jenen schweren politischen und moralischen Fehlentwicklungen weiterleitet, wie wir sie heute überall kennen, sondern sich langfristig auch gegen den Menschen selbst richtet und zu hochproblematischen und selbstzerstörerischen Entwicklungen wie Massenabtreibung, Eugenik, Genmanipulation, Transhumanismus, Gender-Theorie und Euthanasie führt. Der echte Kampf um das Abendland ist daher schon fast eher noch ein innerer, den jeder für sich ausfechten muß, als ein äußerer.

Wir brauchen eigene „Parallelgesellschaften“

Es wäre daher auch falsch, eine solche innere Anstrengung als bloße „Besinnlichkeit“, vielleicht sogar als moralische Naivität abzutun und somit seine äußere Strahlkraft zu übersehen: Denn ganz im Gegenteil ist deutlich, daß der bisherige politische Kampf sich ohnehin zunehmend von der parlamentarischen Arena auf gänzlich andere Gebiete verlagert, während das demokratische Zeremoniell zu einer sinnentleerten Fassade verkommen ist, welche anderswo getroffenen Entscheidungen lediglich den Anschein populärer Legitimität verleiht und den Ereignissen nur noch hinterherrennt: Die tatsächliche Macht liegt mittlerweile zum einen bei einer verschwindenden Zahl von Konzernen, Medien und Einzelpersonen, von denen jeder einzelne oft mehr Gewicht, Macht und Einfluß besitzt als ganze europäische Kleinstaaten, zum anderen aber – und das mit Sicherheit in steigendem Maße – bei jenen schlagkräftigen, weltanschaulich geschlossenen und um charismatische Gestalten organisierten Druckgruppen, welche bereits in vielen Vororten die Herrschaft über das Alltagsleben übernommen haben und das Gewaltmonopol des Staates ad absurdum führen.

Es ist daher dringlicher denn je, daß die „letzten Abendländer“, anstatt ebenfalls in den Sog jener Gruppen zu geraten und ihre eigene Identität zu verlieren, vielmehr ihre eigene „Parallelgesellschaft“ erschaffen und ihre eigenen Regeln setzen und im echten wie im übertragenen Sinne das Kulturgut ihrer Vorfahren schützen, pflegen, mehren und weitergeben.

Nur eine klar erfaßte, konsequent gelebte Tradition hat Bestand 

Daher wird auch der klassische politische Bereich zunehmend an Bedeutung verlieren, während die wahre demokratische beziehungsweise plebiszitäre Überzeugungskraft von der Erfahrung vorbildhaften Alltags- und Familienlebens, der Ordnungskraft stets wachsender, gut vernetzter Gruppen, der Aufstellung eines alternativen Bildungssystems und der Schaffung einer wahren Gegenöffentlichkeit ausgehen wird, die allesamt nur dann mit der nötigen Bestimmtheit entwickelt werden können, wenn sie auf einer doppelten, hesperialistischen Glaubensgrundlage beruhen: der Wiederentdeckung der christlichen Wurzeln Europas und der Liebe zur eigenen, nicht nur nationalen, sondern auch und vor allem abendländischen Heimat.

Man wird sich dabei auf einen langen, geistigen wie auch kulturellen und politischen Kampf in einer Umwelt einstellen müssen, die gleichzeitig von einem zunehmenden Bedeutungsrückgang der staatlichen Institutionen und einem atavistischen Hervortreten des Prinzips von Charisma und Gefolgschaft gezeichnet sein wird: Nur wenn am Ende dieser Entwicklung die abendländische Tradition als eine sowohl klar umrissene als auch inklusions- und integrationsstarke Ordnung Bestand hat, während der Nihilismus sich selbst ad absurdum geführt hat, mag eine Chance bestehen, sie erneut, wenn auch in unzweifelhaft verändertem Maße, als Basis des menschlichen Zusammenlebens in Europa zu restituieren.

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Prof. Dr. David Engels, Jahrgang 1979, Althistoriker, lehrt Römische Geschichte in Brüssel und forscht am Instytut Zachodni (West-Institut) in Posen.

 www.davidengels.be

JF 30-31/20

Sonnenaufgang vor der Teynkirche in Prag. Foto: picture alliance / dpa
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