Todd Philipps’ Adaption des legendären Comic-Schurken Joker erhitzte schon vor dem Start die Gemüter. In Erinnerung an den Amoklauf im amerikanischen Aurora während einer Vorstellung von „The Dark Knight Rises“ befürchtete man Wiederholungstäter. Mehr noch: Der Film würde junge, frustrierte Männer radikalisieren und zu Gewalt treiben, hieß es. Doch welche Botschaft vermittelt der Film nun?
Nichts zu lachen
Der von Joaquin Phoenix dargestellte Arthur Fleck hat wenig mit dem vor knapp 80 Jahren erschaffenen Bösewicht aus dem Batman-Universum gemein. Statt eines bösen Genies wird uns ein von seinem Umfeld gequälter, psychisch kranker Mann präsentiert. Tatsächlich erzählt „Joker“ keine neue Geschichte: Der geschundene Außenseiter wird so lange unter Druck gesetzt, bis sich seine Wut in einer Explosion von Gewalt entlädt. Musterbeispiel für diesen Plot ist Martin Scorseses Klassiker „Taxi Driver“. Und tatsächlich trägt „Joker“ seine Einflüsse (vor allem „King Of Comedy“, ebenfalls von Martin Scorsese) ganz offen.
Der ganze Stil des Films, von der Szenerie einer verfallenden Großstadt bis zu eindeutigen Hommagen an und der Mitwirkung Robert DeNiros, ist eindeutig im Geiste des New Yorker Regisseurs gestaltet. Die Einflüsse der Comicvorlage sind hingegen nur oberflächlich. Bekannte Namen tauchen auf, aber die dazugehörigen Charaktere sind stark umgestaltet. Millionäre in Kampfausrüstung sind daher nicht zu erwarten.
Ansichten eines Clowns
In der öffentlichen Diskussion entwickelte „Joker“ ein kurioses Eigenleben. Konservative Kritiker warfen dem Film vor, eine linke Agenda zu verfolgen. Was nicht von der Hand zu weisen ist: Eine Nebenhandlung ist eine vom „Joker“ inspirierte Protestbewegung, welche gewalttätig gegen die soziale Ungleichheit in Gotham City demonstriert. Die Reichen sind das Feindbild. Linke Kritiker wiederum werfen dem Film „toxische Maskulinität“ vor sowie genau die Denkweise zu legitimieren, die Trump ins Amt brachte. Wer behält Recht? Philipps lockt beide Lager in die Falle. Jeder kann nach Belieben eine eigene Agenda in die Handlung interpretieren.
Ist das „Establishment“ korrupt, so sind die Bürger gewaltbereit und selbstgerecht, die Gesellschaft marode. Joker gebärdet sich im Finale selbst als anklagender Revoluzzer, es ist aber dem Zuschauer überlassen, für wie wahrhaftig er die Worte eines offenkundig wahnsinnigen Mörders nehmen will.
Pointe und Tusch
„Joker“ ist vor allem dank Joaquin Phoenix ein überdurchschnittlicher Film, wenn auch kein „Meisterwerk“. Die sehr freie Bearbeitung der Vorlage kann Comic-Fans irritieren, und auch Arthur Fleck ist ein keinesfalls innovativer Charakter. Der Zuschauer schwankt bei ihm zwischen Mitleid und Abscheu.
Für ein politisches Statement ist der Film zu uneindeutig. So hat man am Ende einen der besseren Filme des Jahres. Unterhaltsam, aber grimmig. Doch, unpassend für den „Clown Prince Of Crime“: Recht humorlos.