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Geburtstag: Maßstäbe für ein gelingendes Leben

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Geburtstag: Maßstäbe für ein gelingendes Leben

Robert.Spaemann
Robert.Spaemann
Geburtstag
 

Maßstäbe für ein gelingendes Leben

Der Philosoph und Papstberater Robert Spaemann feiert heute seinen 85. Geburtstag. Auch wenn der Superlativ sparsam verwendet werden sollte: Der Münchner Emeritus ist schon seit einiger Zeit der weltweit bedeutendste katholische Philosoph. Im Dritten Reich bildeten sich Prägungen heraus, die Spaemann in seinen Studien verarbeitet. Jedweder Konformismus, auch der liberal-postmoderne unserer Tage, ist ihm seither unsympathisch.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Robert.Spaemann
Robert Spaemann (2010): Der bedeutende katholische Philosoph feiert an diesem Sonnabend seinen 85. Geburtstag Foto: Wikimedia/Jörg Noller mit CC-Lizenz https://tinyurl.com/okprw

Die Forderung des verstorbenen Erzbischofs von Fulda, Johannes Dyba, man brauche wieder mehr Philosophen statt bloßer Lehrstuhlinhaber, wird gegenwärtig wohl von niemandem stärker eingelöst als von Robert Spaemann. Auch wenn der Superlativ sparsam verwendet werden sollte: Der Münchner Emeritus ist schon seit einiger Zeit der weltweit bedeutendste katholische Philosoph.

Das Elternhaus bringt den am 5. Mai 1927 in Berlin geborenen Spaemann früh mit dem Katechismus, aber auch mit der deutschen Literatur in Berührung. Der Vater, ein geistlicher Schriftsteller, wird nach dem Tod seiner Frau mit päpstlicher Genehmigung zum Priester geweiht. Im Dritten Reich bilden sich Prägungen heraus, die Spaemann im Kontext seiner Studien verarbeitet. Jedweder Konformismus, auch der liberal-postmoderne unserer Tage, ist ihm seither unsympathisch.

Keine instrumentale Auffassung von Religion

In Joachim Ritter findet er einen akademischen Lehrer, der ihn nachhaltig prägt. Im Münsteraner „Collegium Philosophicum“ kristallisiert sich ein heterogener Kreis aus „Thomisten, evangelischen Theologen, Positivisten, Logikern, Marxisten und Skeptikern“ heraus, der die Kulturgeschichte der Bundesrepublik nachhaltig beeinflußt. 1952 promoviert Spaemann über den französischen Restaurationsphilosophen Louis de Bonald. Die Beschäftigung mit diesem Protagonisten funktionalistischer Religionstheorie lehrt den Doktoranden, daß eine instrumentelle Auffassung von Religion dieser nicht gerecht werde.

Nach einer Zeit als Verlagslektor legt Spaemann 1962 seine Habilitationsschrift vor, die sich mit dem Denken des französischen Erzbischofs François Fénelon (1651–1715) auseinandersetzt. Die grundlegende Frage der Arbeit lautet: Ist die Gottesliebe eine Funktion des menschlichen Glücksstrebens (wie Bischof Bossuet meint) oder muß die Liebe Gottes um Gottes willen erfolgen (wie Fénelon hervorhebt)?

Nach der Tätigkeit an der Technischen Hochschule Stuttgart folgt 1969 ein Ruf an die Universität Heidelberg als Nachfolger von Hans-Georg Gadamer. 1974 erhält Spaemann den (Konkordats-)Lehrstuhl in München. Bald bildet sich an der dortigen philosophischen Fakultät ein einflußreiches Dreigestirn (mit Dieter Henrich und Werner Beierwaltes) heraus.

Maßstäbe eines gelingenden Lebens aus der Antike

Spaemanns wissenschaftliche Anliegen sind vielfältiger Natur: Der Ordinarius betont die Unzulänglichkeiten des „modernen Bewußtseins“, als dessen Hauptrepräsentanten er Friedrich Nietzsche sowie Jean-Jacques Rousseau erkennt. Spaemann besteht darauf, daß die humanen Gehalte modernen Denkens (Toleranz, Wissenschaftsfreiheit, soziale Dispositionsfähigkeit und so weiter) nicht innerhalb der hypothetischen Annahmen der Moderne eingelöst werden könnten, sondern der Bezug auf Gottesidee und Christentum unabdingbar sei.

Er hebt die fortdauernden, vor allem ökologischen, Belastungen hervor, die die Kehre der Frühen Neuzeit mit sich bringt. Die herausragenden Gelehrten dieser Epoche, Galilei, Hobbes, Descartes und andere, werden im Zeitalter des Umweltschutzes ohnehin kritischer als früher betrachtet. Im Gegensatz zu ihnen greift Spaemann bei der Suche nach Maßstäben eines gelingenden Lebens gern auf die Antike zurück, vor allem auf Aristoteles. In der Ablehnung des neuzeitlichen Nützlichkeitsdenkens fordert er eine Wiederbelebung der alten aristotelischen Frage „Wozu?“.

In der moralphilosophischen Debatte verteidigt der Weggefährte Joseph Ratzingers die Pflichtenethik, die von der Unerlaubtheit bestimmter Handlungen, etwa Mord und Lüge, ausgeht. Zuletzt macht er mit einer Neufassung des alten Genres der Gottesbeweise von sich reden. Viel Resonanz finden auch seine zweibändigen gesammelten Schriften, die in den letzten beiden Jahren erschienen sind. Diese Beiträge unterstreichen zudem seinen Rang als Essayisten. Abhandlungen wie „Glück und Wohlwollen“ oder „Personen“ sind längst Standardwerke.

Abwehr des Psychoterrors der politischen Korrektheit

Seit fünf Jahrzehnten ist der „Altkonservative“ (Habermas) an vielen Kontroversen beteiligt: an der Diskussion über den neuartigen Charakter von Kernwaffen ebenso wie an der Auseinandersetzung um die Elmauer Rede Peter Sloterdijks über „Regeln für den Menschenpark“, an der Debatte um die Liberalisierung von Abtreibung sowie Sterbehilfe und an dem Streit um den Personbegriff. Er weigert sich, den Begriff des Menschen von dem der Person zu trennen. Die Deutung der EU als Wertegemeinschaft lehnt er ab. Zur Abwehr des Psychoterrors der politischen Korrektheit erhebt er öfter seine Stimme: gegen die Ausgrenzung der JUNGEN FREIHEIT genauso wie gegen (mitunter totalitäre) Anmaßungen von Homosexuellenverbänden. Seit vielen Jahren engagiert sich der gläubige Katholik für die Pflege des klassischen Meßritus der Kirche.

Daß dem mit Ehrendoktoraten und dem Karl-Jaspers-Preis ausgezeichneten Spaemann eine längere Lebenszeit beschieden ist als vielen seiner Altersgenossen, hat er produktiv umgesetzt. Eine Reihe früherer Veröffentlichungen ist in den letzten Jahren in überarbeiteter Auflage auf den Markt gekommen. Wie aktiv der Gelehrte gegenwärtig kirchenpolitisch noch ist, belegen nicht zuletzt seine Äußerungen im Fall von Pfarrer Oblinger in dieser Zeitung.

Der Kenner der Materie weiß, daß er der letzte bedeutende Vertreter einer längeren Reihe von katholisch-konservativen Philosophen des 20. Jahrhunderts ist, die die Weisheitstradition des Abendlandes vermittelt und Denker wie Erich Przywara, Alois Dempf, Josef Pieper und Max Müller umfaßt. Nicht zuletzt deswegen gilt er als Solitär in der Philosophenlandschaft der Gegenwart. Auch im letzten Abschnitt eines erfüllten Lebens wird ihn der begleiten, den er als das „unsterbliche Gerücht“ bezeichnet hat.

JF 19/12

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