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Romantik

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Nur wenigen Musikverlagen gelingt es, etwas zu entwickeln, was man „Labelsound“ nennt, das heißt, Künstler unter Vertrag zu nehmen, die musikästhetisch so gut zusammenpassen, daß es für Außenstehende wie eine große Familie wirkt, selbst wenn die Musiker über den Erdball verteilt leben und real kaum etwas gemein haben. Im Idealfall kann dann in Presseberichten der Verlagsname kundigen Lesern mehr Orientierung bieten als gängige Genrebezeichnungen. Im Independent-Bereich gelang dies in den Achtzigern hervorragend dem englischen 4AD-Verlag mit Gruppen wie Dead Can Dance und Cocteau Twins, für Deutschland darf das seit einigen Jahren für den an der Mosel ansässigen Prophecy-Musikverlag mit Gruppen wie Orplid und Dornenreich gelten. 

Ein nicht ganz falsches Klischee besagt, daß die Prophecy-Kundschaft aus romantisch-verträumt veranlagten, langhaarigen jungen Männern besteht, die gerade das Abitur hinter sich haben, nordische Heldensagen genauso gerne lesen wie Hermann Hesse und ihre alten Fantasy-Heavy-Metal-CDs sukzessive gegen Neofolk-Genreklassiker, zarten Prog-Rock und klassische Musik eintauschen. Geprägt wurde dieses Bild vor allem von der auch international gerühmten und inzwischen aufgelösten fränkischen Formation Empyrium, deren Abschiedsalbum „Weiland“ (2002) ganz erstaunlich mit den Mitteln des folkloristischen Prog-Rock an Franz Schuberts „Winterreise“ erinnert.

Seit dem Ende Empyriums gilt jedoch der Thron als verwaist, auch wenn schnell klar war, daß neue Projekte wie Nebelung, bei dem befreundeten Eis und Licht Verlag unter Vertrag, oder die haus-eigenen Neun Welten die Nachfolge antreten möchten. Neun Welten, wie Orplid aus Halle an der Saale stammend, haben nun mit „Destrunken“ – der Titel ist eine im dunklen bleibende, eigene Wortschöpfung – ihr drittes Album vorgelegt. Prophecy erklärt dieses Album nun auch ganz offiziell zum Quasi-Nachfolgewerk von Empyriums „Weiland“.

Tatsächlich ist wie einst bei Empyrium der Wunsch nicht zu überhören, mit zarter Folklore und elegischen Spannungsbögen, die manchmal auch noch einen schwermetallischen Hintergrund verraten, eine Caspar-David-Friedrich-Welt zu evozieren. Während jedoch Empyrium im wesentlichen ein Ein-Mann Projekt eines Multiinstrumentalisten war, besteht Neun Welten aus fünf blutjung wirkenden Musikern, die Flöte, Klarinette, Klavier, Cello und Schlagwerk spielen. Schon allein deshalb kann man sich zuweilen des Eindrucks nicht erwehren, es mit einer Kelly Family der anderen Art zu tun zu haben.

Bedeutsam ist jedoch vor allem, daß ihre langen Stücke meist völlig instrumental gehalten sind. Die Gruppe geht damit ein großes Risiko ein, denn wie ausgefeilt muß eine Musik sein, die sehr naturromantisch sein will, aber nicht von Gesang und Botschaft zusammengehalten wird? Neun Welten mögen ihrer Vision von Album zu Album näherkommen, doch spürt man immer noch eine leichte Selbstüberschätzung. Manchmal sind sie noch zu sehr bloß die sympathische Band von nebenan, manches wirkt wie ein Oberstufenauftritt bei der Monatsfeier der örtlichen Waldorfschule – womit wir wieder beim Prophecy-Klischee wären. Nichtsdestotrotz ein starkes Album im Geiste deutscher Romantik.

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