Die Absetzung des langjährigen Chefredakteurs der Thüringer Allgemeinen, Sergej Lochthofen, durch den WAZ-Konzern bestätigt den Befund des Journalisten Paul Sethe: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Wenn Lochthofen dagegen von einer „Sippenhaft wie in der Stalin-Zeit“ spricht, weil seine Frau als Stellvertretende Chefredakteurin ebenfalls abgesetzt wurde, verdient das eine ebenso grobe Polemik: Bei der Thüringer Allgemeinen scheinen zwanzig Jahre lang rumänische Verhältnisse wie zur Zeit des Conducators Ceausescu und seiner Frau Elena geherrscht zu haben.
Die WAZ-Blätter hetzten gegen Peter Krause
In politischer Hinsicht hat der sozialdemokratische WAZ-Konzern sich über Lochthofens stramm linke Zeitung nie beklagen müssen. Die Absetzung hat wirtschaftliche Gründe. Zur WAZ-Mediengruppe gehören in Thüringen neben der Thüringer Allgemeinen die Ostthüringer Zeitung und die Thüringische Landeszeitung. Im dritten Quartal 2009 verkauften sie insgesamt 316.481 Exemplare. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ist das ein Minus von 4 Prozent. In den letzten elf Jahren verloren die drei Blätter sogar mehr als 37 Prozent ihrer Verkäufe. Kostensparende Umstrukturierungen stehen an, denen sich Lochthofen widersetzt hat.
Er wird jetzt als profilierter Journalist gepriesen, der als „Stimme des Ostens“ regelmäßig im Presseclub auftrat. Dort durfte er die großen Anpassungsleistungen der Ex-DDR-Bürger loben, aber nie die Anpassungsziele in Frage stellen. Leute wie Lochthofen haben das Publikum viel zu lange darüber hinweggetäuscht, daß wir statt eines wiedervereinigten Deutschland lediglich ein Großwestdeutschland haben. Dessen geduckten, dogmatischen Geist hat er bedient.
Nehmen wir den Fall des kurzzeitigen JF-Redakteurs Peter Krause, der in Thüringen zum Kultusminister ernannt werden sollte. Die WAZ-Blätter erzeugten gegen Krause eine regelrechte Hetzstimmung. Die Thüringer Allgemeine war keineswegs das schlimmste Hetzorgan, aber wäre Lochthofen tatsächlich der unabhängige Journalist, als der er jetzt gelobt wird, er hätte folgende Frage öffentlich aufgeworfen: Wie kommt es, daß jemand, der sich in der DDR als freier Geist bewährte, heute in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) zum medial und gesellschaftlich Vogelfreien wird, während Mitläufertypen von damals als „überzeugte Demokraten“ problemlos reüssieren? Was sagt das über die FDGO aus?
Lochthofens Sturz liegt in der Logik der Ordnung, deren Teil er selber war.