An Regimentsgeschichten fehlt es in der militärgeschichtlichen Literatur nicht. Hier ist aber ein Buch anzuzeigen, das von besonderem Interesse ist, auch wenn das beschriebene Regiment nie einen Kampfeinsatz erleben mußte. Allerdings sollte man seine Bedeutung im Kalten Krieg dennoch nicht unterschätzen. Die vier Mächte, die nach dem Krieg nicht nur Deutschland als Ganzes, sondern auch seine Hauptstadt Berlin unter sich aufteilten, hatten verabredet, dort dürfe es kein deutsches Militär geben. Die Westmächte hielten sich daran, die Sowjetunion nicht. Nach 1956 sah man im Ostsektor immer öfter Uniformen mit ochsenblutroten Kragenspiegeln, die an das Feldgrau der Wehrmacht erinnerten. Wer genau hinschaute, stellte sogar fest, daß es in der „Hauptstadt der DDR“ zwei verschiedene Wachregimenter gab, die bei Paraden mitwirkten und am Ehrenmal Unter den Linden die Wachen stellten. Ihr Stechschritt beeindruckte vor allem die Besucher aus dem Westen. Eines dieser Wachregimenter (Friedrich Engels) gehörte zur Nationalen Volksarmee (NVA) und unterstand dem Verteidigungsminister der DDR, das andere hieß nach dem Gründer des sowjetrussischen Geheimdienstes „Feliks Dzierzynski“ und unterstand dem Minister für Staatssicherheit (MfS) Erich Mielke. Letzteres war schon etwas Besonderes, seine Angehörigen fühlten sich als Elite, sollten es auch sein, und genossen mancherlei Privilegien. Die beiden Autoren wissen, wovon sie reden. Peter Joachim Lapp hat sich als Angehöriger der Ost-West-Redaktion im Deutschlandfunk und Buchautor seit Jahrzehnten mit der DDR beschäftigt. Was ihm für dieses Buch an Insider-Wissen fehlt, steuert der Mitautor Hagen Koch bei, der es in 25 Dienstjahren bei den „Feliksen“ über die Unteroffizierslaufbahn bis zum Kulturoffizier und Hauptmann gebracht hat. Natürlich haben sie die Akten der Birthler-Behörde ausgewertet, ebenso die inzwischen ziemlich umfangreiche Fachliteratur. Der aussagekräftige Bildteil macht das Werk auch für den Laien interessant. Ob und inwieweit es auch für ehemalige Angehörige des Wachregiments — alle waren Zeit- oder Berufssoldaten — von Interesse ist, wagt der Rezensent nicht zu entscheiden. Es wird wohl von ihren persönlichen Erfahrungen mit einem anstrengenden, aber doch meist eintönigen (Wach-)Dienst abhängen. Unkritisch gegenüber den damaligen Zuständen ist das Buch jedenfalls nicht. Im Laufe seiner 40jährigen Geschichte erreichte das Wachregiment mit etwa 11.000 Soldaten Divisionsstärke. Als militärisch-operativer Arm des MfS sollten seine Angehörigen notfalls auch im Innern eingesetzt werden. Folgerichtig war ein Schwerpunkt der Ausbildung neben dem Schießen der Orts- und Häuserkampf. Durch den umfangreichen Wachdienst in MfS-Einrichtungen und in anderen Dienst-und Wohnobjekten von Partei und Regierung bis hin zu den Krankenhäusern in Berlin-Buch war das Regiment auch ein gewichtiges Machtinstrument seines Oberbefehlshabers. Wenn die Soldaten auch besonders ausgesucht wurden — man durfte sich nicht bewerben —, machten sie doch Erich Mielke nicht nur Freude. Alkoholexzesse waren alltäglich und führten beim Ausgang häufig zu Schlägereien mit Zivilisten und Uniformträgern anderer Einheiten. Wachvergehen waren unvermeidlich, und auch mit der politischen Zuverlässigkeit war es oft nicht gut bestellt, was zum Beispiel der selbstverständlich verbotene, aber dennoch häufige Empfang von Westrundfunk beim Wachdienst oder in der Kaserne bewies. Organisationsstruktur, technische Ausstattung und Bewaffnung, sowie Kaderpolitik und politische Anleitung durch das MfS werden eingehend behandelt. Das menschliche Klima im Wachregiment ließ wie auch in der NVA zu wünschen übrig. Eine besonders üble Rolle spielte die verbreitete, am sowjetischen Pendant der Dedowschtschina orientierte EK-Bewegung, bei der sich „Entlassungs-Kandidaten“ gegenüber jüngeren Kameraden unmenschliche Schikanen und Mißhandlungen leisteten. Das galt zwar als „Störung der sozialistischen Beziehungen“. Die Verantwortlichen bekamen das Problem jedoch nie in den Griff. Kurz vor und verstärkt nach dem Fall der Mauer kam es auch in Mielkes Garde zu Auflösungserscheinungen. Die Regierung Modrow schaffte das Wachregiment im Dezember 1989 ab und versuchte, seine Angehörigen „der Volkswirtschaft zuzuführen“. Das war schwierig; denn meist wurden die Soldaten mit den übel beleumdeten sonstigen Angehörigen des MfS in einen Topf geworfen. Die Autoren finden das ungerecht und meinen, „wer beim WR nur seine verlängerte Wehrpflicht absolvierte, muß anders bewertet werden als die Berufskader des MfS und seines WR“. Hierfür gibt es sicherlich gute Gründe. Fotos: Hagen Koch, Peter Joachim Lapp: Die Garde des Erich Mielke. Der militärisch-operative Arm des MfS. Das Berliner Wachregiment „Feliks Dzierzynski“. Helios Verlag, Aachen 2008, 185 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro; Wachregiment Feliks Dzierzynski im Paradeschritt (1967): Machten Erich Mielke nicht nur Freude